Natur Unwetter: In der Eifel kann es jeden treffen, jederzeit

Bitburg-Prüm · Hochwasser in der Eifel: Wie kann man sich davor schützen? Im TV-Interview gibt ein Experte Tipps.

 Ein Unwette rhat am 9. Juni 2018 über dr Eifel gewütet. Besonders betroffen waren Orte in der VG Bitburger Land. Foto: Rudolf Höser

Ein Unwette rhat am 9. Juni 2018 über dr Eifel gewütet. Besonders betroffen waren Orte in der VG Bitburger Land. Foto: Rudolf Höser

Foto: Rudolf Höser/Rudolf HOESER

Solche Regengüsse, wie sie im Mai und Juni 2018 auf die Eifel niedergeprasselt sind, möchte niemand nochmal erleben. Doch sie werden wiederkommen. Und treffen können sie jeden. Wann und wo der nächste sintflutartige Regenguss niedergeht, weiß niemand. Trotzdem sollte man nicht tatenlos darauf warten. Viele Dörfer in der Eifel sind zurzeit dabei, Hochwasservorsorgekonzepte zu entwickeln. Beraten werden sie dabei von verschiedenen Ingenieurbüros aus der Region. Eins davon ist das Ingenieurbüro Reihsner mit Sitz in Wittlich-Neuerburg. Wie man als Privatperson selbst vorsorgen kann und worauf Ortsgemeinden achten sollten, darüber haben wir mit dem Geschäftsführer Sebastian Reihsner gesprochen.

 Räumliche Verteilung der Niederschlagssummen Kopie_InterRed

Räumliche Verteilung der Niederschlagssummen Kopie_InterRed

Foto: TV/Schramm, Johannes

Ist Hochwasser ein neues Phänomen in der Eifel?

 Sebastian Reihsner berät Ortsgemeinden in der Eifel beim Hochwasserschutz.

Sebastian Reihsner berät Ortsgemeinden in der Eifel beim Hochwasserschutz.

Foto: Jens Lumm Photography (www.jensl/Jens Lumm

Sebastian Reihsner: Nein. Diese Ereignisse sind nicht neu, die gab es nachweislich auch schon vor 200 Jahren. Das hat man nur damals nicht so wahrgenommen, weil es nicht diese Medienpräsenz gab. Allerdings haben sich die Ereignisse auch durch den Klimawandel verstärkt. Sie kommen häufiger vor als früher. Ein Flusshochwasser ist eigentlich nicht so ein Problem. Das kennen die Anwohner. Da gibt es in der Regel eine längere Vorwarnzeit, und man kann sich darauf vorbereiten. Ein Starkregen kommt dagegen schnell, weil es kleine lokale Gewitterzellen sind. Vier Kilometer weiter kann sogar die Sonne scheinen. Daher gibt es bei Sturzfluten aufgrund von lokalem Starkregen keine oder nur sehr kurze Vorwarnzeiten.

Was kann man konkret tun, um sich vor Hochwasser oder Starkregen zu schützen?

 Land unter in der Eifel - Katastrophale Zustände besonders in Dudeldorf und Badem

Land unter in der Eifel - Katastrophale Zustände besonders in Dudeldorf und Badem

Foto: TV/Florian Blaes

Reihsner: Man sollte sich auf jeden Fall gegen Elementarschäden versichern. Es kann jeden jederzeit treffen. Selbst jemand, der auf einer Bergkuppe wohnt und sich vermeintlich sicher fühlt, kann durch Starkregen und seine Folgen betroffen sein. Versicherungsschutz gibt es übrigens für alle – auch für Anwohner am Fluss. Da kann natürlich der Preis variieren. Wer keine Versicherung findet, kann sich bei der Verbraucherschutzzentrale Rheinland-Pfalz oder beim Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft erkundigen.

Wie viele Ortsgemeinden im Eifelkreis Bitburg-Prüm werden derzeit von Ihnen beraten?

Reihsner: Momentan sind es 14.

Werden die Infoveranstaltungen gut angenommen?

Reihsner: Das Interesse ist unterschiedlich. Bei einer Ortsgemeinde, die betroffen war, ist das Interesse groß, so wie zum Beispiel in Biersdorf. Wir hatten aber auch schon Veranstaltungen, da sitzen dann nur fünf Leute.

Was kann man tun, ohne viel Geld in die Hand nehmen zu müssen?

Reihsner: Es gibt zwei wichtige Baumaßnahmen. Das eine sind Rückstauklappen im Kanal. Die hat noch lange nicht jeder. Bei Anliegern am Gewässer ist das eigentlich ein absoluter Zwang, die zu haben. Das zweite wäre der Objektschutz. Kellerfenster und Eingänge kann man mit mobilen Dammbalkensystemen oder druckdichten Fenstern und Türen ausrüsten. Dazu bringt man links und rechts von der Eingangstür Schienen an, in die man bei Hochwasser Dammbalken einsetzen kann. Eine weitere Möglichkeit ist, bei einer tiefer gelegenen Einfahrt sogenannte Fluttore einzubauen. Dazu werden Kammern im Boden eingelassen. Die Tore liegen umgeklappt im Hof. Füllen sich die Kammern mit Wasser, stellen sich die Tore automatisch durch den Wasserdruck auf.

Was können die Gemeinden tun?

Reihsner: Wenn wir in die Ortsgemeinden kommen, sehen wir oft Entwässerungsgräben, die nicht gemäht und gepflegt sind. Oft setzen sich auch die Einlaufgitter zu, oder die Gräben versanden. Die Ortsgemeinden sollten unbedingt diese Gräben pflegen.

Was wurde in der Vergangenheit oft falsch gemacht?

Reihsner: Schwierige Frage. Beigetragen zu der ganzen Situation hat generell der hohe Grad an Versiegelung. Es werden immer mehr Straßen und Häuser gebaut. Das trägt massiv dazu bei, dass bei Starkregen das Wasser nicht schnell genug versickern kann und wir einen sehr hohen Abfluss haben.

Und welchen Schaden richten die vielen Maisfelder an?

Reihsner: Da bin ich vorsichtig. In der Eifel, wo es sehr hügelig ist, bringen sogenannte Flachwurzler generell Probleme. Da ist die Politik gefordert. Es müssen Schutzzonen mit Grünstreifen eingeplant werden. Das macht natürlich kein Landpächter freiwillig. Da gibt es noch viel Bedarf, gemeinsam etwas auf die Beine zu stellen.

Gibt es eine Förderung für Hochwasserkonzepte oder Maßnahmen?

Reihsner: Ja. Die Vorsorgekonzepte werden vom Land zu 90 Prozent gefördert. Wenn eine Gemeinde daraufhin Maßnahmen umsetzt, wird eine Förderung im Einzelfall geprüft. Private Bauvorsorge ist nicht förderfähig.

Was halten Sie von Wasserrückhaltebecken?

Reihsner: Davor warne ich. Die sind auf ein bestimmtes Ereignis bemessen, und wenn das Ereignis höher ausfällt, dann ist auch dieser Schutz dahin. Bricht ein Damm eines Rückhaltebeckens, ist die Flutwelle dramatisch. Zwischen Mai und Juni 2018 hatten wir mehrere 100-jährliche Ereignisse – also extreme Regengüsse, die, statistisch betrachtet, eigentlich nur alle hundert Jahre vorkommen. Wenn man diese Regenmengen in Jährlichkeiten klassifizieren würde, dann hatten wir in der Eifel im vergangenen Jahr 800-jährliche Ereignisse gehabt. Davor kann man sich aus Gründen der Wirtschaftlichkeit baulich nicht schützen. Hinzu kommt, dass sich durch den Bau von Rückhaltebecken ein vermeintliches Sicherheitsgefühl in den Köpfen der Bürger verankert und man so die Gefahr durch Sturzfluten wieder vergisst.

Warum sollten die Bürger zu den Infoveranstaltungen kommen?

Reihsner: Die Beteiligung der Bürger ist unglaublich wichtig. Wir kennen nicht jede Ortschaft im Detail und haben dort selten ein Starkregenereignis miterlebt. Wir sind also darauf angewiesen, dass sich die Bürger einbringen. Jeder Hinweis wird notiert, jeder Vorschlag ist wichtig, die fließen alle ins Gesamtkonzept mit ein. Baulicher Hochwasserschutz ist endlich, dass muss jedem bewusst sein. Wenn uns die Gefahr bewusst ist, können wir Vorsorge betreiben und zukünftig Schäden minimieren. Unser Ziel muss es sein, mit diesen zunehmenden Unwettern zu leben und aus den bisherigen Erfahrungen zu lernen. Wir müssen Leib und Leben schützen und die volkswirtschaftlichen Schäden minimieren.

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