Familie Murina darf bleiben

Herforst · Strahlende Mädchen, dankbare Eltern und ein zufriedener Ortsbürgermeister: Auf Antrag des Herforsters Werner Pick hat die Härtefallkommission des Landes entschieden, dass die von Abschiebung bedrohte Roma-Familie Murina bleiben darf.

Sie freuen sich, dass sie nicht abgeschoben werden: Suada, Naima, Natalija und Sead Murina (von links). TV-Foto: Katharina Hammermann

Herforst. Wieder treten Tränen in Suadas dunkelbraune Augen. Diesmal nicht, weil sie daran denken muss, was in einem serbischen Roma-Ghetto aus ihren beiden Töchtern würde. Aus Naima (7) und Natalija (5), die mit einem Korb voller Bären, Schäfchen und Puppen fröhlich plappernd neben ihr auf dem braunen Sofa sitzen. Diesmal denkt sie nicht daran, wie es wäre, diese Mädchen großzuziehen ohne fließend Wasser und Strom, ohne Schule, ärztliche Versorgung, ohne Jobs, ohne Respekt. Denn auf den braucht man als "Zigeuner" in Serbien nicht zu hoffen.
Diesmal treten der jungen Mutter Tränen in die Augen, weil sie daran denkt, wie sie am Mittwoch den Brief des Integrationsministeriums fand, ihn zitternd öffnete und auf Zeilen starrte, die sie nicht lesen konnte. Wie sie diesen Brief zu einer Nachbarin trug, ihn ihr überreichte und zusah, wie die ältere Frau, die die Mädchen Oma nennen, las und zu weinen begann, ehe sie Suada fest in die Arme schloss. Familie Murina darf bleiben.
Zwei Jahre lang haben Suada Murina (24), ihr Mann Sead (27) und die Töchter in der Angst gelebt, aus Herforst wieder in das Elend zurückkehren zu müssen, vor dem sie geflüchtet waren. Im Juni 2014 sollte die junge Familie nach Serbien abgeschoben werden. Denn das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge hatte ihr Asylbegehren abgelehnt, das Trierer Verwaltungsgericht ihren Widerspruch zurückgewiesen. Zu viele ausreisepflichtige Roma gibt es in der Region. Ausnahmen würden zu Ungleichbehandlung führen, so die Begründung.
Ohne "Meister Pick", wie Sead den Herforster Ortschef Werner Pick nennt, würde die Familie den Winter wohl in einem Belgrader Slum verbringen. Pick, der Sead Murina gut kennt, da dieser seit 2012 als Gemeindearbeiter in Herforst Rasen mäht und Hecken schneidet, hatte im Juni die Härtefallkommission des Landes eingeschaltet. Denn die Familie ist im Dorf gut integriert: die Eltern wollen arbeiten. Natalija besucht den Kindergarten, Naima die Grundschule, beide sprechen fließend Deutsch und beide hätten in Serbien keine Chance auf Bildung.
Picks Antrag hatte Erfolg. Auf Ersuchen der Härtefallkommission hat das Ministerium den Murinas diese Woche eine Aufenthaltserlaubnis erteilt. Die Eltern haben nun ein Jahr Zeit, zu beweisen, dass sie ihren Lebensunterhalt ohne staatliche Hilfe verdienen können - dies ist Voraussetzung für einen längeren Aufenthalt. Sead und Suada Murina wollen nun so schnell wie möglich Arbeit finden. "Bei der Entscheidung wurden humanitäre Gründe über die Rechtsgrundlage gestellt, hier hat das Herz über die Aktenlage entschieden. Schön, dass es das noch gibt", sagt Pick, der sich sehr für die Familie freut.
"Wir sind so dankbar", sagt Suada lächelnd. "Jetzt kann ich meine Freunde weiter sehen", jubelt die Kleinste, während ihre Schwester einen pinkfarbenen Schulranzen ins Zimmer schleppt, einen Prinzessinnenordner und Schulhefte auspackt. "Was ist fünf plus fünf?", fragt Naima, ruft "zehn" und zeigt strahlend ihre Zahnlücken, ehe sie ihrem Vater das Schreibheft zeigt, in das sie säuberlich viele Male den Namen "Ole" geschrieben hat.
Wenig später steht auch Natalija mit einem viel zu großen Ranzen im Wohnzimmer. Diesen hat sie geschenkt bekommen, weil sie bei der Einschulung ihrer Schwester so traurig war, dass sie noch nicht zur Schule gehen darf. In Serbien tun "Zigeuner" das selten. Sead und Suada haben das Lesen nie gelernt. Inzwischen ist die Chance groß, dass ihre Töchter mehr Glück haben.Meinung

Sie haben großes Glück gehabt
Schön, dass die Murinas bleiben können! Sie haben großes Glück gehabt. Glück mit ihrem Ortsbürgermeister. Und Glück, in einem Bundesland zu leben, das nichts davon hielt, Serbien als sicheren Herkunftsstaat zu deklarieren. Denn in Serbien sind Roma systematischer Ausgrenzung, Gewalt und Willkür ausgesetzt. Das neue Gesetz ist eine Sauerei. Ermöglicht es doch, Roma wie die Murinas schnell und einfach loszuwerden, ohne sich darum kümmern zu müssen, was in serbischen Slums aus ihnen wird. Gut, dass man in diesem Fall genau hingesehen hat. k.hammermann@volksfreund.de