Katastrophenschutz Feuerwehrverband warnt vor „Flutdemenz“
Badem · Der Klimawandel führt zu vermehrten Einsätzen bei Flächenbränden und Überschwemmungen. Geeignetes Material und spezielle Fahrzeuge werden dringend benötigt, doch dafür müssen zunächst Förderrichtlinien geändert werden. Ihren größten Kampf führt die Feuerwehr gegen starre Dienstvorschriften, träge Bürokratie - und die Zeit.
Kaum hat Oliver Thömmes, Vorsitzender des Kreisfeuerwehrverbands (KFV) Bitburg-Prüm, die rund 200 Wehrleute in der Gemeindehalle Badem begrüßt, bimmeln und schrillen Alarmtöne durch den Saal, springen in den Stuhlreihen Frauen und Männer auf und eilen hinaus.
Über die Eifel zieht am Freitagabend ein Sturmtief, Bäume stürzen auf Straßen, leichter Schneefall hat eingesetzt, Hilfe wird gebraucht.
„So ist das, wenn Feuerwehrleute zusammenkommen“, sagt Thömmes, wartet bis einigermaßen Ruhe eingekehrt ist und fährt im Programm der Jahressitzung des Verbands fort. Zwei Jahre hat der Verband wegen der Pandemie nicht getagt, dementsprechend groß ist der Nachholbedarf beim Austausch der Informationen zur Arbeit der verschiedenen Fachbereiche, wie Brandschutzerziehung und Bambinifeuerwehren, Motorsägenausbildungen und Leistungsabzeichen. Auch Versicherungsfragen werden angesprochen, schließlich ist die Verletzungsgefahr für Hilfskräfte im Einsatz ein ständiger Begleiter.
Erwartungsgemäß bestimmt das Thema „Wetterbedingte Schadenslagen und Vegetationsbrände“ den größten Teil des Abends, denn die Flut 2021 sei aus Feuerwehrsicht noch lange nicht abgehakt, sagt Jürgen Larisch, Brand- und Katastrophenschutzinspekteur (BKI) des Kreises Bitburg-Prüm. Larisch zeigt sich in seinem Fazit enttäuscht von der viel zu langwierigen Anpassung von Förderrichtlinien des Landes für Fahrzeuge, wie einem 32 Tonnen schweren wat- und geländegängigem Gefährt, das für den Einsatz bei Überschwemmungen und Flächenbränden in der Eifel dringend benötigt werde. „Es ist immer noch so, dass die Maßgaben der Förderungen zwar den Ansprüchen der Wehren in großen Städten entsprechen, aber die Bedürfnisse in ländlichen Gebieten nicht berücksichtigt werden“, sagt Larisch. Dabei dürfe die Feuerwehr in den Flächengebieten keinesfalls hinterherhinken, „denn es geht um Menschenleben“, sagt der oberste Katastrophenschützer. Deshalb sei der Schulterschluss mit dem KFV, dem politischen Arm der Feuerwehren, unabdingbar, um Änderungen in den Strukturen durchzusetzen.
Es renne schlicht und einfach die Zeit davon, sagt Peter Gerhards, Vizepräsident des Landesfeuerwehrverbandes: „Denn nach der Katastrophe ist vor der Katastrophe. Und die Nächste kommt ganz bestimmt.“
Stephan Tusch, zweiter Vorsitzender des Verbands und Projektleiter des Malteser Hilfsdienstes an den Standorten Trier und zudem mitten im Flutkatastrophen-Gebiet in Altenahr-Kreuzberg, zieht eine bittere Bilanz. Bereits die Überschwemmungen im Jahr 2018, die im Eifelkreis zu verheerenden Schäden geführt haben, hätten Ausrüstungsmängel und Kommunikationsfehler aufgezeigt. „Das war eine Art Blaupause, auf die hätte reagiert werden müssen. Doch 2021 standen wir vor exakt denselben Problemen.“ Punktum: Die Förderrichtlinien müssten schleunigst angepasst werden, um auf solche, im Jargon der Hilfsdienste sogenannten „Großlagen“, mit bestmöglicher Ausrüstung vorbereitet zu sein.
Es sei nun Zeit für mehr Flexibilität, unterstreicht Oliver Thömmes nach der Veranstaltung. „Wir müssen alle lernen, zu lernen, und dabei praxisferne Entscheidungshierarchien durchbrechen. Die vielen Versprechen und Hilfszusagen nach den Vorfällen 2021 sind verhallt. Es darf sich keine Flutdemenz einstellen.“ Thömmes und der Kreisfeuerwehrverband fordern Veränderungen - und die sollten auch ganz oben greifen: „Es braucht eine neue Definition Landes-Katastrophenschutzes, um Zuständigkeiten zu klären – bislang sind sie auch in der Gesetzgebung nicht klar formuliert. Da hat es im Sommer 2021 enorm geklemmt“, sagt Thömmes. Aber auch die eigenen Feuerwehr-Dienstvorschriften stünden oft im Weg: „Sie hemmen derzeit mehr, als dass sie uns helfen.“ Die Vorgaben für die Anschaffung neuer Fahrzeuge seinen ein Beispiel: „Ein Fahrzeug, das im Eifelkreis eingesetzt wird, sollte aufgrund der vielen Steigungen mehr PS vorweisen. Damit weicht es aber von den Normvorgaben ab, der Zuschuss vom Land fällt weg.“
An den Normen scheitere auch die Förderung des 32 Tonnen schweren geländetauglichen Fahrzeugs, das dank seiner Masse auch von Wasser nicht weggeschwemmt werden könne. „Laut den Dienstvorgaben ist bei 16 Tonnen für Fahrzeuge derzeit Ende der Fahnenstange“, sagt der Verbandsvorsitzende. Es tauche vonseiten der Kommunen, die für die Ausrüstung der Feuerwehr zuständig sind, oft die Frage auf, ob solche Anschaffungen tatsächlich nötig seien, erzählt Thömmes. „Unsere Antwort lautet: Hoffentlich brauchen wir diese Fahrzeuge nicht. Aber falls doch, dann retten sie Leben.“ Die Feuerwehr sei eine Art Daseinsvorsorge, an die der hohe Anspruch gestellt werde, immer und jederzeit einsatzbereit zu sein, um zu helfen, bergen, retten und schützen. „Das ist unser Leitbild und den Bürgern steht dieses Maß an Sicherheit zu“, sagt Oliver Thömmes. Es seien auch in Zukunft viele Menschen auf vielen Ebenen in den Verwaltungen und auch innerhalb der ehrenamtlichen Hilfsdienste gefordert, zusammenzuarbeiten, um den Schutz der Allgemeinheit zu gewährleisten. „Wir brauchen das Rad nicht neu zu erfinden, das Fundament ist da“, schließt Thömmes. „Es ist schon immer ein stetiger Prozess, doch es sind inzwischen erhebliche Anpassungen notwendig. Und die sollten jetzt mit hohem Tempo angegangen werden.“