Finstere Feinde feiern friedlich

MERLSCHEID. Rund 40 Geschichtsfreunde haben in Merlscheid eine viertägige Zeitreise ins Mittelalter unternommen. Beim Schlachttraining ging es rustikal zur Sache - nichts für schwache Nerven.

36 Kilo Schwein drehen sich beharrlich um die eigene Achse. Anblick und Duft lassen manchem Beobachter das Wasser im Mund zusammenlaufen. Erst mal ein Schluck "Met" aus dem Tonbecher oder Trinkhorn - der Qualm des offenen Feuers macht durstig. Stefan Seger bringt mit einer Feld-Esse ein Stück Eisen zum Glühen, um sie anschließend mit Hammer und Amboss zu schmieden. Sein Sohn Timo tobt mit anderen Kindern durchs Lager. Am Holztisch im offenen Zelt weben Frauen von Hand kunstvolle Borten und Gürtel. Diese Szenerie könnte sich so vor 1100 Jahren abgespielt haben. Die handelnden Personen leben aber im 21. Jahrhundert. Vertreter von Wikingergruppen aus Rheinland-Pfalz, Saarland und Nordrhein-Westfalen sowie die Gastgeber "Trebeta" aus Lünebach haben sich wie zuvor in Klüsserath und Masthorn (der TV berichtete) zu einem Lager zusammengefunden. Das Phänomen "Living History" (gelebte und lebendige Geschichte) boomt auch in der Region. Die Initialzündung für die Lünebacher Gruppe war das Burgenfest in Manderscheid 2001. Alle wurden vom Mittelalter-Fieber gepackt. "Ich dachte zuerst: Die sind verrückt", sagt Thomas Nesges, der später dazustieß. "Aber dann habe ich mich mitreißen lassen und seitdem mit viel Spaß dabei." Die Faszination, nach historischem Vorbild Kleidung, Gebrauchsgegenstände und Waffen herzustellen, treibt die Hobby-Wikinger an. Zwar arbeiten sie nicht streng wissenschaftlich, aber um hohe Authentizität sind sie durchaus bemüht. Petra Becker (Lünebach/Wittlich) schätzt das "Eintauchen in eine andere Welt mit hohem Erholungsfaktor". Auch ihre Kinder Jonas (9) und Lucas (11) lassen die gewohnte Hightech-Umgebung hinter sich. Kein Fernsehen, kein Computer, nicht einmal Strom: das pure Abenteuer. Der Merlscheider "Eingeborene" Hermann Berens schaut sich das Treiben zum ersten Mal an. Sein Urteil: "Das ist für die Kinder Geschichtsunterricht live."Blaue Flecken bleiben nicht aus

Als Zeltplane dient Segeltuch, wie es die Wikinger früher bei Landgängen ihrer Seereisen nutzten. Das Zelt-Innere beziehungsweise die Betten der "Nordleute" sind oft mit Fellen ausgelegt. Ein gemütliches Ruhelager also. Diese Ruhe wird ab und an durch Schlachtgebrüll unterbrochen. Dabei gehen Kämpfer einzeln oder in Formationen aufeinander los. Stahlschwerter, Äxte, Streitkolben und Speere wirbeln durch die Luft. "Jeder hat seine Lieblingswaffen", sagt Gerhard Pauli von den "Mac Ohl's Warriors" aus Trier. Die Attacken dauern oft nur Sekunden, denn der erste Treffer entscheidet. Blaue Flecken bleiben nicht aus, aber: "Bei uns gibt es weniger Verletzungen als beim Fußball", stellt Thomas Nesges klar. Für die Kämpfe gilt ein strenges Reglement, der "Codex Belli" (siehe Hintergrund) . Bei allen Beteiligten steht ohnehin der Spaß im Vordergrund. Wie beim Après-Ski und bei der "Dritten Halbzeit" im Fußball folgt auch nach einer harten Schlacht eine ausgelassene Feier, bei der sich manche erbitterten Feinde irgendwann in den Armen liegen. Die Mittelalter-Gruppen trainieren mittwochs ab 19 Uhr bei Klüsserath. Treffpunkt in Trier ist um 18.30 Uhr bei Burger King, Zurmaiener Straße. Infos im Internet unter www.trebeta.net

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