Fittere Lehrer, flotteres Netz

Weinsheim · Was fehlt der Industrie im Land? Vor allem schnellere Internet-Verbindungen. Und noch mehr Lehrer, die ihren Schülern die neuen, vernetzten Produktionstechniken vermitteln können. Deshalb hat Gerhard Eder, Geschäftsführer des Stihl-Werks in Weinsheim und Chef der Metall-Arbeitgeber, Ministerpräsidentin Malu Dreyer in die Eifel gebeten.

 Ministerpräsidentin Malu Dreyer mit Gerhard Eder, dem Geschäftsführer im Stihl-Werk Weinsheim und Vorstands-Chef der Metall-Arbeitgeber. TV-Foto: Fritz-Peter Linden

Ministerpräsidentin Malu Dreyer mit Gerhard Eder, dem Geschäftsführer im Stihl-Werk Weinsheim und Vorstands-Chef der Metall-Arbeitgeber. TV-Foto: Fritz-Peter Linden

Foto: (e_pruem )

Weinsheim. Nein, es war keiner der üblichen Politiker-besucht-Firma-und-bekennt-wie-toll-er-alles-findet-Besuche, damit sich bei der Wahl ein paar Leute daran erinnern: Sie mussten mal an Ort und Stelle miteinander reden. Malu Dreyer, Ministerpräsidentin des Landes Rheinland-Pfalz, und Gerhard Eder, Chef des Stihl-Produktionswerks in Weinsheim und zugleich Vorstandsvorsitzender des Arbeitgeberverbands der Metall- und Elektroindustrie in Rheinland-Rheinhessen. Mit dabei: die Führungsriege des Magnesium-Druckgusswerks in der Eifel, in dem 630 Menschen Produkte für den weltweiten Stihl-Markt und die Auto- und Elektroindustrie entwickeln und herstellen.Die Lücken im digitalen Netz


Der Anlass für den Besuch der Ministerpräsidentin in Weins heim: Das, was als Schlagwort von der "Industrie 4.0" herumschwirrt, als "vernetzte Fertigung", bei der wachsende Datenmengen digital zwischen Maschinen, Bauteilen, Produkten ausgetauscht werden - und den Menschen, die das alles verantworten.
Eder zeigt das an einem Beispiel: Im Frankreich-Urlaub sei sein Wagen liegengeblieben. Daraufhin rief er beim Hersteller in München an (womit wir wissen, welche Marke er fährt). Der Techniker dort sei ins Netz gegangen, habe aus der Ferne zwei Zylinder "blindgestellt" und Eder angewiesen, mit Tempo 90 auf sechs Zylindern zur nächsten Werkstatt zu fahren (womit wir wissen, wie viele Zylinder Eders Wagen insgesamt hat).
Malu Dreyers Replik: "Und wenn wir noch einen Schritt weiter sind, kriegen Sie das alles gar nicht mehr mit." Bis dahin aber, und das treibt den Weinsheimer Stihl-Chef um, sei es noch weit - und deshalb brauche man, gerade auf dem Land, die schnelle Internet-Infrastruktur.
Die Ministerpräsidentin verweist darauf, dass das Land in dieser Hinsicht schon vergleichsweise weit sei und entsprechend Anstrengungen unternommen habe. Und: "Wir sind ganz sicher, dass wir bis allerspätestens 2018 überall 50 Megabit und aufwärts haben" (die Daten-Übertragungsrate in der Sekunde - zu Deutsch: ganzganz schnell), gerade habe man für den Breitband-Ausbau noch einmal "50 Millionen Euro lockergemacht".
Denn auch so hoffe man den Jungbürger von der Landflucht abhalten zu können: "Die Digitalisierung ist gerade für uns eine Chance."
Beim Thema Vernetzung, hier fallen dann die Anglizismen von "Smart Cities" und, gerade in Rheinland-Pfalz, "Smart Farming" (etwa: kluges Landwirtschaften, bei dem der Bauer am Ende einer ganzen Kette digital vernetzter Produktionsschritte sitzt), bringt sie das Forschungsprojekt des Landes in Zusammenarbeit mit der Fraunhofer-Gesellschaft und der Technischen Universität Kaiserslautern zur digitalen Aufrüstung ländlicher Gebiete - "Smart Rural Areas" ins Gespräch, bei dem unter anderen auch der Landmaschinenhersteller John Deere dabei sei. Und sie bietet an, den Kontakt zwischen Stihl und den bereits Beteiligten herzustellen. "Es ist mir ein Anliegen, dass Sie alle voneinander wissen."Die Jugend muss alles kennen


Wissen - das Stichwort für Eders nächstes Anliegen: Er verweist auf die gute Zusammenarbeit des Werks mit der Berufsbildenden Schule Prüm - aber auch darauf, dass das "4.0"-Thema noch nicht überall angekommen sei: Seien eigentlich - und er bezweifelt das - "alle Lehrer in der Lage, den Schülern zu erklären, was das ist?" Es gehe immerhin dabei um die jungen Leute, "die das Thema in zehn, 15 Jahren beherrschen müssen", sagt Dietmar Baatz, Personalchef in Weinsheim.
Auch daran arbeite man, sagt Malu Dreyer: Alle Lehrer schicke man seit Jahren auf Fortbildungen. An Modellschulen werde das digital gestützte Lernen per Tablet oder Laptop bereits verstärkt eingesetzt - aber: "für uns ist es wichtig, zu hören: Da klappt es, da klappt es nicht, dass wir gezielt darauf zugehen können und, dass Sie mir signalisieren: Wo können wir das noch mehr pushen?"
Und dann geht's auf die Runde durch das Werk - man habe extra nicht groß geputzt, sagt Eder. "Sie werden sehen: Der Betrieb ist auch so sauber." Das findet dann auch die Ministerpräsidentin, die sich alles genau anschaut.
Ein guter Austausch? "Absolut", sagt Gerhard Eder. Auch wenn es nicht mit einem Besuch getan sei. Wichtig sei aber eben auch, "dass die Industrie aus der Deckung kommt und mit der Politik einen gemeinsamen Weg in die Zukunft sucht".Extra

 Die vollautomatisierte Gießerei von Stihl Weinsheim produziert Teile für Geräte, die im baden-württembergischen Stammwerk montiert werden. Archiv-Foto: Vladi Nowakowski.

Die vollautomatisierte Gießerei von Stihl Weinsheim produziert Teile für Geräte, die im baden-württembergischen Stammwerk montiert werden. Archiv-Foto: Vladi Nowakowski.

Foto: (s_wirt )

Ein Weltkonzern: Stihl wurde 1926 gegründet, Stammsitz ist Waiblingen bei Stuttgart. Das Unternehmen entwickelt und produziert Motorsägen und -sensen, Freischneider, Schleif- und Trenngeräte für Landschaftspflege, Forst- und Landwirtschaft. Stihl erzielte im vorigen Jahr mit 14 297 Mitarbeitern weltweit einen Umsatz von 2,98 Milliarden Euro. Das Werk in Weinsheim, 1971 gegründet, ist der einzige Standort des Unternehmens, der nicht nur für Stihl, sondern auch für externe Kundschaft entwickelt und produziert - unter anderem Bauteile für die Auto- und Elektroindustrie. Sie machen ein Fünftel des Umsatzes im Werk aus. 2014 erwirtschafteten die 630 Mitarbeiter insgesamt 110 Millionen EuroUmsatz. fpl

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort