Flugsicherung kontra Energiegewinnung: Windkraftinvestoren schöpfen Hoffnung

Nattenheim · Wissenschaftler haben herausgefunden, dass Windräder die Signale einer Funkanlage der Flugsicherung nur im Umkreis von drei und nicht von 15 Kilometern stören. Damit gibt es für die etwa 100 rings um Nattenheim geplanten Projekte womöglich doch noch eine Chance.

Nattenheim. Wer ein Windrad errichten will, muss mit vielen Hindernissen rechnen. Schwarzstörche können dem Vorhaben ebenso in die Quere kommen wie Mopsfledermäuse, Wetterradare, neue Windatlanten, Militärflughäfen oder die Ausweisung historischer Kulturlandschaften. Trotz all dieser möglichen Hindernisse wurden in der Südeifel mehr als 100 neue Windkraftprojekte geplant.
Und dann stellte sich im November 2013 heraus, dass die Deutsche Flugsicherung (DFS) in einem 15-Kilometer-Radius um Nattenheim bei Bitburg keine weiteren Windräder zulassen will, weil diese womöglich die Signale eines für die Flugsicherung benötigten Drehfunkfeuers stören. Es bestehe die Gefahr, dass die Funksignale des Geräts von Rotorblättern abgelenkt werden und Flugzeuge so vom Kurs abkommen. Für 100 Windkraftvorhaben sah es seitdem düster aus.
Doch ist die Energiewende ein Thriller, der immer wieder neue, überraschende Wendungen zu bieten hat. Und womöglich bahnt sich soeben eine solche Wendung an. Eine Studie im Auftrag des schleswig-holsteinischen Landesamts für Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume lässt Investoren, Planer und Gemeinden wieder hoffen. Mit einer neuartigen Messmethode haben Wissenschaftler an einem Drehfunkfeuer bei Michaelsdorf in Schleswig-Holstein nämlich herausgefunden, dass Störungen insbesondere im Umkreis von drei Kilometern entstehen - und nicht wie bisher angenommen im Umkreis von 15 Kilometern.Flugsicherung prüft Ergebnisse


Die Forscher der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt haben das neue Messsystem gemeinsam mit der Flight Calibration Services GmbH - einer Tochter der Deutschen Flugsicherung - entwickelt.
An einem Helikopter hängend lässt sich damit "in bisher unerreichter Genauigkeit" erfassen, in welchem Ausmaß geplante Windparks Radaranlagen der Flugsicherung, Luftverteidigung oder Wetterbeobachtung beeinflussen würden.
"Wir begrüßen diese Studie und ihre Ergebnisse", sagt Kristina Kelek, Sprecherin der Deutschen Flugsicherung. Die DFS sehe sich nicht als Verhinderer der Energiewende. Allerdings werde man die Ergebnisse von internationalen Experten überprüfen lassen. Das soll innerhalb der kommenden Monate geschehen. Auch seien die Aussagen nicht einfach auf andere Drehfunkfeuer zu übertragen.
Das schleswig-holsteinische Landesamt zieht aus der Studie bereits Konsequenzen. "Wir waren gehalten, neun Genehmigungen für Windräder zurückzuziehen. Das tun wir nun nicht", sagt Pressesprecher Martin Schmidt. Auch sehe man angesichts der eindeutigen Ergebnisse keinen Grund mehr, im Umkreis zwischen drei und 15 Kilometern um das besagte Drehfunkfeuer Genehmigungen zu versagen.
Spannend ist all dies auch für die Verbandsgemeinden Bitburg-Land und Kyllburg, in denen ein weiterer Ausbau der Windkraft so gut wie unmöglich wäre, wenn es beim pauschalen Nein der Deutschen Flugsicherung bliebe. "Das ist für uns sehr interessant", sagt Rainer Wirtz (CDU), Bürgermeister der Verbandsgemeinde Kyllburg, die ihre Planungen für etwa 40 Windkraftstandorte trotz der klaren Ansage der DFS und trotz der Einschränkungen, die sich durch das Wetterradar in Neuheilenbach ergeben, vorantreibt. "Das gibt uns Hoffnung", sagt auch Josef Junk (SPD), Bürgermeister der Verbandsgemeinde Bitburg-Land, die seit Bekanntwerden des K.O.-Kriteriums namens Drehfunkfeuer Nattenheim in einer schwierigen Situation ist. Gilt es doch zu entscheiden, ob sich das Risiko lohnt, etwa 300 000 Euro Steuergeld in einen neuen Flächennutzungsplan zu stecken.
Die betroffenen Projektentwickler haben sich inzwischen zusammengeschlossen und gemeinsam ein Rechtsgutachten in Auftrag gegeben. Sie halten an ihren Plänen fest. "Wir arbeiten einfach weiter und haben die Hoffnung, dass es funktioniert", sagt Robert Kölsch, von der Öko Eifelwind GmbH. Die Erkenntnis, dass Windräder für die Flugsicherheit weniger riskant sind als gedacht, dürfte dieser Hoffnung neue Flügel verleihen.

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