Freischwimmer im Milchsee
PRONSFELD. Fast alles in Butter: Erneut hat die Pronsfelder Milch-Union Hocheifel (Muh) ein Rekordergebnis eingefahren. Aber der Preisdruck auf dem Markt macht der Molkerei und ihren gut 2700 Lieferanten zu schaffen.
"Ernüchternd", sagt Rainer Sievers. Damit meint der Muh-Geschäftsführer aber nicht das Ergebnis im abgelaufenen Jahr, denn die Eifeler Molkerei hat erneut ihren Umsatzrekord überbieten können (TV vom 6. Juli). Ernüchternd seien vielmehr die aktuellen Vertragsverhandlungen mit den deutschen Handelsketten gelaufen. In diesen Gesprächen, bekennt Sievers, "sind wir von der Realität eingefangen worden."Muh-Bauern bekommen mehr
Zahlen nannten Sievers und Vertriebschef Winfried Meier bei der Jahres-Pressekonferenz nicht. Fest steht aber: Der Kurs wird weiter fallen. Denn die Realität ist ein pappsatter Milchmarkt. Mit Molkereien, die sich einander dem Handel gegenüber unterbieten und mit Landwirten, die vor allem im Osten über der vereinbarten Quote liefern. Angebot und Nachfrage befänden sich dadurch in einem Missverhältnis, erklärt Sievers. Das erschwert die Verhandlungen mit den Discountern: "Sie kaufen eben da, wo sie die Milch am billigsten kriegen", sagt der Niederkyller Muh-Landwirt Frank Königs. "Und die EU überlegt jetzt, die Quote anzuheben, so dass noch mehr Milch auf den Markt kommt. Das Ergebnis wird sein, dass noch mehr Bauern zugrunde gehen." Da geht es den Muh-Genossenschaftlern vorerst besser: Nach wie vor zahlt die Eifeler Molkerei ihren Lieferanten einen Kilo-Preis über dem Bundesdurchschnitt (2004: 30,71 Cent). Und die Qualität der Pronsfelder Produkte, die in mehr als 1,1 Milliarden Verpackungen abgesetzt wurden, stimmt ebenfalls - vom Eiskaffee bis zur Bio-Milch. Sogar die Lactose-reduzierte Katzenmilch wird offenbar von der vierbeinigen Zielgruppe weggeleckt wie wild: "Die Katzen sind begeistert. Und sie schreiben auch keine Reklamationsbriefe", scherzt der Muh-Chef. Für Menschen mit Lactose-Intoleranz (Milchzucker-Unverträglichkeit) soll es demnächst ebenfalls ein Muh-Produkt geben. Die Molkerei steht, trotz verschärftem Wettbewerb, bestens da. Im Vergleich zu 2003 stieg der Umsatz von 431 Millionen Euro auf 446 Millionen Euro. 874 Millionen Kilogramm Milch wurden verarbeitet. Das bedeutet eine Steigerung um 32 Millionen Kilogramm. Im laufenden Jahr sollen sogar die 900-Millionen "geknackt" werden. "Wir fahren volles Rohr", sagt Sievers und nennt eine ebenfalls erfreuliche Konsequenz: "Wir haben 2004 etwa 50 zusätzliche Arbeitnehmer eingestellt." Derzeit biete das Unternehmen rund 600 Arbeitsplätze. Die Muh investierte 2004 rund 12,5 Millionen Euro - nicht in "Abenteuer", wie Sievers sagt, sondern "kontrolliert": in neue technische Infrastruktur, die Erweiterung des Verwaltungsgebäudes und die Vorbereitungen zum Bau neuer Hallen. Stress gibt es allerdings unter den etwa 500 belgischen Lieferanten, wie am Rande der Vertreterversammlung zu hören war. Der Grund: Differenzen zwischen einigen Bauern und dem belgischen Muh-Einkäufer, der Molkereigenossenschaft Büllingen-St. Vith. Die Pronsfelder sahen sich daher gezwungen, im Nachbarland eine zweite Firma zu gründen: Die Muh Belgien AG. Die dortigen Bauern können ab 1. Januar 2006 zwischen diesen beiden Einkaufsgenossenschaften wählen. Anders sei der Disput nicht beizulegen gewesen, sagt Sievers. "Das bedauern wir sehr." Dennoch würden die belgischen Bauern weiterhin nach Pronsfeld liefern. Rainer Sievers: "Die stehen alle wie eine Wand hinter der Muh. Und letztlich landet die Milch ja immer im gleichen Tank."