Freundschaft geht vor Grammatik

Bitburg/Oberstedem · Als Anfang der 1950er Jahre die Bitburger Air Base aus dem Boden wuchs, begegneten viele Eifeler den Fremden zunächst mit Skepsis und Vorbehalten. Der 1955 gegründete Deutsch-Amerikanische Frauenclub wollte dagegen ein Zeichen für die Völkerverständigung setzen - und tut dies bis heute, auch wenn die Base bereits vor mehr als 20 Jahren geschlossen wurde.

 Nach dem fünften Schnaps fallen auch die letzten Sprach-Hemmungen: der Deutsch-Amerikanische Frauenclub bei einer Schnapsprobe in Oberstedem. Mit dabei die amerikanische Präsidentin des Clubs, Shannon Pons (Dritte von links), und die deutsche Vorsitzende Karin Jung (vorne rechts). TV-Foto: Wilma Werle

Nach dem fünften Schnaps fallen auch die letzten Sprach-Hemmungen: der Deutsch-Amerikanische Frauenclub bei einer Schnapsprobe in Oberstedem. Mit dabei die amerikanische Präsidentin des Clubs, Shannon Pons (Dritte von links), und die deutsche Vorsitzende Karin Jung (vorne rechts). TV-Foto: Wilma Werle

Bitburg/Oberstedem. "Prost!" "Cheers!" So klingt es an diesem Abend durch die Schnapsbrennerei Arens in Oberstedem: Der Deutsch-Amerikanische Frauenclub (DAFC) mit seiner Vorsitzenden Karin Jung hat zur Schnapsprobe eingeladen. Es ist eine von rund 20 Veranstaltungen pro Jahr, bei denen sich Frauen beider Nationen zum gemütlichen Beisammensein treffen, sich austauschen, Freundschaften pflegen, die Politik zu Hause lassen und ihre Sprachkenntnisse zum Besten geben. So entsteht ein lustiges Kauderwelsch aus Deutsch, Englisch, manchmal Denglisch und Eifeler Platt. Der Stimmung tut dies keinen Abbruch; nach dem fünften Schnaps achtet keiner mehr darauf, ob die Grammatik sitzt. "Wenn wir nichts essen, sind wir gleich tipsy (beschwipst)", meint Hiltrud. Die 63-Jährige arbeitet bei der Brauerei, ist neu im Kreis dabei und sucht Kontakte, um ihre Englischkenntnisse aufzufrischen. Im Laufe des Abends vereinbart sie mit Jacqui, einer amerikanischen Psychologin, ein privates Treffen. Wunsch nach einem Stammtisch

Jacqui hat ein paar deutsche Ausdrücke in ihrem Wortschatz. Zwischen "I love Eierlikör" und "nee nee" wünscht sie sich einen regelmäßigen Stammtisch. "Die Interessen bei unseren Mitgliedern sind sehr verschieden", weiß Karin Jung. Seit einigen Jahren ist sie die deutsche Vorsitzende des DAFC. Ihr amerikanisches Pendant ist Shannon Pons, die erste amerikanische Präsidentin des Clubs, die nicht Ehefrau eines Offiziers ist, sondern selbst beim Militär arbeitet. Und zwar in Spangdahlem. Nachdem die Amerikaner 1994 aus Bitburg abgezogen worden waren, geriet auch der Club in eine Krise. Die Mitgliederzahlen gingen zurück, die Zielsetzung musste neu überdacht werden. Die Frauen knüpften Kontakte zur benachbarten Air Base Spangdahlem und änderten ihre Aufnahmeregularien. Brauchte man lange Zeit eine gewisse gesellschaftliche oder finanzielle Position sowie eine schriftliche Empfehlung anderer Mitglieder, um in den DAFC aufgenommen zu werden, geht das heute einfacher - eine Änderung der Aufnahmeregeln, die auch innerhalb des Clubs unter den Mitgliedern nicht ganz unumstritten war. Mittlerweile hat der DAFC Bitburg wieder 35 deutsche Mitglieder und etwa 100 amerikanische. Die Mitgliederzahl schwankt, da viele amerikanische Frauen irgendwann wieder zurück in die USA gehen. Michaela (46), eine gelernte Übersetzerin, bedauert das sehr, da ja "oft auch enge Freundschaften entstanden sind". Doch an diesem lustigen Abend zwischen "sloes"-Schnaps (Schlehen), "cheers" und unübersetzbaren Trinksprüchen denkt noch niemand an Abschied. Extra

Der TV hat jeweils die deutsche und die amerikanische Präsidentin des Deutsch-Amerikanischen Frauenclubs (DAFC)gebeten, zu folgenden Begriffen in Stichwörtern ihre Gedanken auszudrücken: Heimat Karin Jung: die Eifellandschaft, Eifeler Platt, Haus und Auto nicht abschließen müssen. Shannon Pons: eine gute Nachbarschaft, das Gefühl, akzeptiert zu werden, sich wohlfühlen in Wengerohr. Freundschaft Karin Jung: gute und schlechte Seiten hinnehmen, den Anderen aushalten. Shannon Pons: etwas erzählen dürfen, ohne dafür beurteilt zu werden. Das Essen des jeweils anderen Landes Karin Jung: schnell, einfacher zuzubereiten, internationaler, billiger. Shannon Pons: frisch und gesund, Schweine, die besten Kartoffeln. wiw Extra

Der Deutsch-Amerikanische Frauenclub (DAFC) wurde 1955 von Genia Simon ins Leben gerufen, drei Jahre nach Inbetriebnahme der US Air Base Bitburg. Ziel des Zusammenschlusses der Frauen war und ist es bis heute noch geblieben, die Kultur und das Gedankengut der jeweils anderen Nation besser kennenzulernen und zu verstehen. Die Frauen treffen sich etwa zwanzig Mal im Jahr zu unterschiedlichsten Veranstaltungen: zu Restaurantbesuchen, Wanderungen, Konzerten oder im Bitburg-Book-Club zum Besprechen englisch-sprachiger Bücher. Der Jahresbeitrag für deutsche Frauen im DAFC beträgt 15 Euro, Amerikanerinnen sind beitragsfrei. wiw Weitere Informationen zur Mitgliedschaft und zur Arbeit des Vereins gibt es bei der Clubsekretärin Ellen Ernst unter Telefon 06563/1725 oder per E-Mail unter DAFCBitburg@yahoo.de.

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