Frömmigkeit und Feten

HIMMEROD. Ende der Sommerzeit. Allerheiligen, Allerseelen, Volkstrauertag, Buß- und Bettag, Totensonntag – die dunklen Tage im November stehen bevor. Wohin mit der Trauer? Welchen Stellenwert haben Vergänglichkeit, Tod und Totengedenken in einer von zunehmendem Werteverfall geprägten Zeit? Diese Fragen an Abt Bruno Fromme (Foto) von der Zisterzienserabtei "Unsere Liebe Frau" in Himmerod.

Ist unsere laute, scheinbar völlig materiell-, spaß- und ich-orientierte, aber auch von Existenzangst verunsicherte Gesellschaft zur Trauer überhaupt noch bereit oder fähig?Abt Bruno Fromme: Kaum jemand in unserer Spaßgesellschaft erkennt, dass Trauer der Preis für unsere im Tod zerstörte soziale Bindung ist und damit eine wichtige Funktion hat. Das bedeutet, der Trauer Raum geben, sie akzeptieren, um wieder Lebensfreude zu erlangen. Denn wo Dunkel ist auch Helligkeit, wo Nacht auch der Tag, wo Ernte auch Saat, wo Schmerz auch Erlösung, wo Verzweiflung auch Hoffnung, wo Sterben auch Leben und wo Trauer auch Freude. Ist das herbstliche Totengedenken auf dem besten Wege, sich zum kommerziellen Friedhofsrummel oder zum "Trauer-Event" zu entwickeln? Abt Bruno Fromme: Die Oberflächlichkeit der Unterhaltungs- und Konsumindustrie kann letztlich nur Leere vermitteln. Väterchen Frost, Santa Klas und dergleichen bieten keine Perspektiven. Der christliche Mensch hat einen anderen Anspruch. Er will das Leben. Er weiß, dass er daran durch den Auferstandenen teilhaben wird. Der November ist voller dunkler Tage. Doch mittendrin, am 11.11. wird mit Helau und Spaß an der Freud` der Karneval proklamiert. Das ist grundsätzlich kaum beklagenswert, wie aber verträgt es sich mit Trauer und Totengedenken?Abt Bruno Fromme: Die Pracht der Felder, der Ernte, der Weinlese sind Bilder des Herbstes. Das Ziel ist erreicht, die Arbeit getan. Den 11.11., St. Martin, feierte man deshalb als Tag der Dankbarkeit und Abrechnung nach der Ernte. Daraus entwickelte sich der Karneval. St. Martins geteilter Mantel und die schnatternden Gänse stehen für ein bewusstes Leben und signalisieren Wachsamkeit. Im Matthäus-Evangelium mahnt Jesus zur Wachsamkeit, "denn ihr wisst weder den Tag noch die Stunde...". Warum wird der Tod, von dem jeder weiß, dass er eines Tages kommen wird, weitgehend tabuisiert? Abt Bruno Fromme: Jesus verheißt uns die Auferstehung. Daran glauben wir. Über den Tod nachzudenken, bedeutet nicht, echter irdischer Lebensfreude abzuschwören Ein rühriger Bestatter hatte kürzlich bundesweit etwa hundert Menschen einen leeren Koffer übergeben, mit der Bitte: "Packen Sie ihn für Ihre letzte Reise, die Reise ins Jenseits." Dem Mann ging es darum, die Tabuzone um den Tod zu durchbrechen. Was würden Sie einpacken? Das Gespräch mit Abt Bruno Fromme führte Elmar Kanz.

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