Frühjahrsputz im Watzerather Klärwerk: Auf Besuch bei den Bakterien

Watzerath · Eine allzu feine Nase dürfen die Taucher, die den Faulturm des Watzerather Klärwerks reinigen, nicht mitbringen. Aus 17 Metern Höhe steigen sie ins Schlammwasser hinab, um Ablagerungen zu entfernen.

Watzerath. Die sechs Kilo schwere Halskrause sitzt, der Anzug ist dicht - noch einmal atmet Roland Galler tief ein und schon setzt ihm Einsatzleiter Arne Thiem einen massiven Taucherhelm auf. Alles kurz verschrauben, hoch auf den Beckenrand und dann geht es rein in die nassen Fluten. Klingt irgendwie nach romantischem Tauchgang, ist aber eher das Gegenteil: Galler verschwindet nämlich nicht etwa im frischen, klaren Nass der benachbarten Prüm, sondern in grauen, stinkenden Fluten. Sein Arbeitsplatz: der Faulturm des Watzerather Klärwerks. Seine Aufgabe: Großreinemachen nach 27 Jahren.

"Das erste Mal seit Inbetriebnahme des Klärwerks mussten wir nun endlich einmal die Ablagerungen im Faulturm absaugen lassen. Mit den Jahren hat sich eine dicke Sedimentschicht angesammelt, die nun weg muss", sagt Alfons Reusch, Leiter der Verbandsgemeindewerke Prüm. Den Auftrag für die Säuberungsarbeiten erhielt das Wiener Unternehmen "Umwelt-Tauchservice" - ein Spezialist in Sachen Klärwerktauchen. "Mein Vater hat das Unternehmen Ende der 70er Jahre gegründet, ich stieg vor acht Jahren ein, nachdem ich zunächst eine klassische Gesangsausbildung am Wiener Konservatorium absolvierte", sagt Geschäftsführer Gregor Ulrich. Vom Sänger zum Berufstaucher? "Ich wollte halt etwas Solides haben", sagt er und grinst.

Am Donnerstag stiegen seine fünf Mitarbeiter erstmals in Watzerath in den Faulturm. "Mit den Jahren bildet sich eine dicke Schlammschicht", sagt Ulrich. Irgendwann funktioniere der Faulvorgang nicht mehr einwandfrei, sagt Helmut Haas, Betriebsleiter im Watzerather Klärwerk. Nach fast drei Jahrzehnten Dauerbetrieb sei das aber schon in Ordnung. Im Faulturm werde der Klärschlamm von Bakterien abgebaut und verringert (siehe Kindernachricht). Da das dabei entstehende Methangas zum Betrieb des werkseigenen Blockheizkraftwerks genutzt werde, sei eine Entleerung des ganzen Turms nicht infrage gekommen.

"Zwei Drittel unseres Stromverbrauchs produzieren wir so selbst. Das Wasser und den Schlamm abzulassen wäre zwar möglich, aber eben nicht sinnvoll", sagt Haas. 45 000 Euro kostet der achttägige Besuch aus Österreich. "Klingt erstmal viel, aber wenn man das auf die Jahre umrechnet und unseren Ausfall bei einer Entleerung mit einberechnet, ist das vertretbar", sagt Reusch. Auch für ihn und Haas sei die Aktion nicht alltäglich. "Angenehm ist, dass der Klärschlamm im Faulturm gar nicht so doll stinkt", sagt Ulrich und schaut dabei zu, wie Galler zunächst Stück für Stück im Schlamm versinkt und schließlich die braune Brühe über seinem Kopf zusammenschwappt. Ulrich riecht nichts? "Vielleicht habe ich mich auch einfach dran gewöhnt", sagt er und wird wohl recht haben. Es könnte schlimmer stinken, aber ein stechender Duft ist für ungeübte Nasen, selbst in windigen 17 Metern Höhe, deutlich zu bemerken - Alltag für die Klärschlammtaucher.

"Schlimmer ist die Dunkelheit und die Temperatur", sagt der Berufstaucher. Das sei nicht für jeden etwas: "Man merkt es gleich beim ersten Mal, ob man damit klarkommt oder eben nicht." Normalerweise herrschen in der schlammigen Suppe etwa 35 bis 37 Grad Celsius. Stiegen die Temperaturen über 39 Grad, müsse ein Kälteanzug her. "Sonst ist das kaum zu ertragen. Der Körper bleibt kühler, aber am Kopf wird es echt heiß." In Watzerath ist es aber gerade recht komfortabel, sagt Haas: "Der Faulturm ist mit 29 Grad deutlich kälter als sonst." Ausnahmsweise trügen die Taucher so auch etwas mehr Kleidung unter dem Anzug, sagt Ulrich.

Ob sein Job gefährlich sei? "Nun ja, die Bestimmungen sind für Berufstaucher so streng, dass man eigentlich immer sicher unterwegs ist. Oben hat das Team alles im Griff, und im Faulturm ist nichts im Weg, das Probleme machen könnte. In Hafenbecken oder Industrieanlagen sieht das oft anders aus", sagt Ulrich. Über ein Schlauchsystem werde der Taucher mit Atemluft aus einem Kompressor versorgt; Notflaschen stünden bereit, falls die Technik Probleme macht. "Ich kenne niemanden, bei dem mal etwas Schlimmes passiert ist - auch wenn manche Kollegen den Eindruck erwecken, das sei ein Hochrisikojob."Extra

Wenn ihr im Bad auf die Spülung drückt, verschwindet alles aus dem Klo in der Kanalisation. Über lange Rohre kommen Dreck und Wasser zum Klärwerk - eine große Waschmaschine für schmutziges Wasser, und die funktioniert so: Erstmal holen riesige Kämme, die sogenannten Rechen, alles Feste aus der braunen Brühe raus. Danach geht es in den Sandfang und die Vorklärung. Das sind große Becken, in denen das Wasser ruhig steht und sich Sand und Schlamm langsam absetzen können. Das Wasser ist dann aber noch nicht sauber. Es muss erst noch ins Belebungsbecken. Winzig kleine Bakterien, mit den Augen könnt ihr diese Tierchen nicht sehen, warten da schon ganz hungrig. Die finden den Dreck im Wasser nämlich total lecker und futtern so lange, bis das Wasser wieder klar ist - praktisch, oder? Aber was ist mit dem Klärschlamm, der ganz am Anfang gesammelt wurde? Schmeißt man den weg? Nein, der wird wiederverwendet. Bauern verteilen ihn nämlich gerne als Dünger auf Feldern, weil ihre Pflanzen dann besser wachsen. Vorher muss der Schlamm aber ausfaulen, und schon wieder sind die Bakterien wichtig. In einem großen Faulturm wird der Schlamm so lange gelagert, bis alles Schädliche aufgegessen ist. Erst dann kann er zum Düngen aufs Feld. aff

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort