Frührentner wegen Hanfanbaus verurteilt

Das Landgericht Trier hat einen 42-Jährigen von der Oberen Kyll wegen des Anbaus von 26 Cannabispflanzen in seinem Haus zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr auf Bewährung verurteilt.

Trier/Jünkerath. "Hier wird heute Geschichte geschrieben, also zumindest Justizgeschichte", sagte Staatsanwalt Jörn Patzak in seinem Plädoyer. Eigentlich kaum zu glauben, angesichts des scheinbar relativ harmlosen Falls: Ein 42 Jahre alter Frührentner aus der Verbandsgemeinde Obere Kyll hatte in seinem Gewächshaus und im Keller insgesamt 26 Cannabispflanzen herangezogen, um damit, wie er sagte, seinen persönlichen Bedarf zu decken.

Bei einer Hausdurchsuchung im September 2008 flog die illegale Plantage auf, ein anonymer Anrufer hatte der Prümer Polizei den Hinweis gegeben. Mithilfe von Wärmelampen, Temperaturfühlern und Ventilatoren hatte der Mann die Pflanzen mehrere Monate gezüchtet. Die Samen hatte er nach eigener Aussage aus handelsüblichem Vogelfutter herausgesucht.

Insgesamt fast ein Kilogramm rauchbares Material stellte die Polizei sicher. Allerdings mit einem relativ schwachen Wirkstoffgehalt, der bei nur rund 1,1 Prozent lag - eine Folge des eher minderwertigen Samens. In der Vergangenheit waren in der Region Trier deutlich größere Cannabisplantagen entdeckt worden.

Auch die "Karriere" des Angeklagten ist zwar traurig, aber nicht außergewöhnlich. Von der Mutter nicht gewollt, wuchs er bei seinen Großeltern in der VG Obere Kyll auf. Im Alter von 16 Jahren begann er, regelmäßig Haschisch zu rauchen, danach folgen Pep und andere Amphetamine, schließlich Kokain und Heroin, wenn auch nur kurzfristig. Immer wieder kam er auch mit dem Gesetz in Konflikt, unter anderem wegen Trunkenheit und Drogendelikten.

Viele Juristen warteten mit Spannung auf Urteil



Der Grund, warum vor allem viele Juristen mit Spannung auf das Urteil des Trierer Landgerichts warteten, ist ein anderer. Denn entscheidend für die Schwere einer solchen Tat ist die Menge des reinen Wirkstoffgehalts, bei Cannabis THC (Tetrahydrocannabinol). Im aktuellen Fall ergab die Untersuchung des Rohmaterials beim Landeskriminalamt (LKA) in Mainz einen Wert von 10,6 Gramm. Die Grenze für eine "nicht geringe Menge" liegt bei 7,5 Gramm. Also scheint die Sachlage auf den ersten Blick eindeutig.

Doch gleichzeitig räumt das LKA ein, dass eine Abweichung von bis zu 30 Prozent möglich ist. Das ergebe, zieht man 30 Prozent von den 10,6 Gramm ab, einen Wirkstoffgehalt von 7,4 Gramm - damit läge eine geringe Menge vor. Der Unterschied ist nicht unerheblich: Bei mehr als 7,5 Gramm sprechen die Juristen von einem Verbrechen, für das eine Mindeststrafe von einem Jahr vorgesehen ist. Liegt der Wirkstoffgehalt darunter, handelt es sich nur um ein Vergehen, und das Strafmaß ist entsprechend geringer. Einzigartig wird der Fall dadurch, dass zum ersten Mal die mögliche Messungenauigkeit in der Verhandlung eine entscheidende Bedeutung hatte.

Bislang stützten sich die Richter bei ihren Urteilen immer auf den tatsächlich von den Labors ermittelten Wert und ließen die mögliche Ungenauigkeit außer Acht. Doch seit 2005 weist das LKA in seinen Gutachten darauf hin, dass der tatsächliche Wert von dem gemessenen abweichen kann. Wie hoch diese Toleranz anzusetzen ist, dazu gibt es bislang - im Gegensatz zu Alkoholkontrollen oder Geschwindigkeitsmessungen - keine gesetzliche Regelung.

Nach einer Klärung der Messverfahren und statistischen Berechnungen kam das Landgericht Trier in seinem Urteil zu dem Schluss, dass die Abweichung in diesem konkreten Fall mit maximal zehn Prozent anzusetzen ist. Dabei wird unter anderem die bekannte Schwankung der Messergebnisse im LKA zugrunde gelegt.

Die Konsequenz für den Frührentner: Die in Jünkerath gefundene Menge liegt deutlich über dem Grenzwert von 7,5 Gramm. Deswegen wurde der Mann vom Gericht unter Berücksichtigung seiner günstigen Sozialprognose - er lebt in gefestigten Verhältnissen und hat vor zwei Wochen eine neue Arbeit aufgenommen - zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr auf Bewährung verurteilt. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

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