Behörde schließt Arbeiten zum Pipeline-Unfall ab Gefahr gebannt, Gift bleibt im Land

Lichtenborn · Ein Dreiviertel Jahr ist seit dem Pipeline-Unfall in Lichtenborn-Stalbach vergangen. Die Arbeiten sind seit Ende 2018 vorüber. Und das, obwohl – so heißt es in einem Gutachten – nicht der ganze kontaminierte Boden abgetragen wurde.

 Alles wieder zugedeckt: Inzwischen sind die Arbeiten in Lichtenborn-Stalbach abgeschlossen. Doch es bleibt noch Gift im Boden.

Alles wieder zugedeckt: Inzwischen sind die Arbeiten in Lichtenborn-Stalbach abgeschlossen. Doch es bleibt noch Gift im Boden.

Foto: TV/Christian Altmayer

2636 Tonnen Erde sind eine Menge. 2 636 000 Kilogramm entsprechen etwa der Masse von 400 Elefanten, 26 Blauwalen, sechseinhalb Jumbo-Jets. Hunderte Male muss sich die Schaufel nahe des Lichtenborner Ortsteils Stalbach in den Boden gegraben haben, um all das Material abzutragen. Und rund 60 LKW-Ladungen waren wohl notwendig, um so viel belastetes Erdreich abzutransportieren. Und doch ist das manchen nicht genug. Aber von Anfang an:

Der Hintergrund: Im September 2018 hat ein Areal am Ortsausgang von Stalbach eine unerwartete Spritdusche bekommen. Bauarbeiter hatten mit dem Pflug eine unterirdische Leitung zerschnitten. Eine Fontäne aus Treibstoff schoss aus der Pipeline, die Jahrzehnte zuvor ein Tanklager der französischen Armee versorgt hatte und eigentlich stillgelegt sein sollte.

Nun hatten die Lichtenborner also eine mit krebserregendem Benzol kontaminierte Fläche. Die erste Herausforderung war es, dafür zu sorgen, dass sie nicht größer wird. Denn Benzol ist eine flüchtige Chemikalie. Das heißt: Sie bleibt nicht, wo sie ist. Etwa durch Regen kann sich der Schadstoff ins Umland waschen.

Um Gewässer und Grundwasser zu schützen, musste daher schnell gehandelt werden. Diese sogenannte Sofortmaßnahme zur Gefahrenabwehr übernahm die Kreisverwaltung Bitburg-Prüm, obwohl sie nicht zuständig ist. Rund eine halbe Million Euro hat die Behörde ausgegeben, um den Boden abzubaggern. Abgeschlossen wurden die Bauarbeiten am 13. November 2018. Doch es blieb etwas zurück.

Der Stand der Dinge: Laut einem Gutachten, das den beteiligten Behörden vorliegt, bestand Ende 2018 eine „Restkontamination im Bereich des Dammes des Radweges.“ Abgetragen wurde diese belastete Erde nicht. Und das wird wohl auch nicht mehr passieren. Der Grund: Die Struktur- und Genehmigungsdirektion (SGD) Nord hält das nicht für notwendig.

Auf TV-Anfrage teilt eine Sprecherin mit, „dass behördlicherseits nur diejenigen Sofortmaßnahmen veranlasst werden, die zwingend erforderlich sind, um eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung abzuwehren.“ Um die „Wiederherstellung des ursprünglichen Ausgangszustandes“ gehe es der SGD nicht. Hinzu kommt, dass die „Restbelastungen“ entlang des Radwegs „unterhalb der Schwelle der Gefahrenabwehrmaßnahmen, die Polizei und Ordnungsbehörden zwingen würden, tätig zu werden“ liegen. Konkret: Für das Grundwasser und Oberflächengewässer sei „keine Gefährdung mehr zu erwarten“.

Die Gefahrenabwehr hat die Kreisverwaltung sichergestellt. Zu diesem Urteil kommt der Gutachter eines Umweltbüros. Verwaltungssprecher Ansgar Dondelinger schreibt auf Anfrage: Ein „weiterer Bodenaustausch oder weitere Untersuchungen nach dem 13.11.2018“ seien aus Sicht der Behörde nicht notwendig.

Ergo werden die Stalbacher mit einer gewissen Kontamination rund um die Unfallstelle leben müssen. Auch ein anliegender Landwirt ist betroffen. Sein Acker, sagt er, sei mit Benzol verunreinigt. Da er sich wegen der Geschichte aber in einem laufenden Zivilverfahren befindet, möchte er sich aktuell nicht öffentlich äußern. Nur so viel sei verraten: Er fordert Schadenersatz.

Doch von wem kann er Geld einklagen? Dieser Frage gehen derzeit die Staatsanwaltschaft Trier und die Kreisverwaltung nach. Die Behörde beabsichtigt nämlich nicht, auf den Kosten sitzen zu bleiben. Dem Verantwortlichen wolle man rückwirkend einen Kostenbescheid zustellen. Doch dafür muss erst ein Verantwortlicher gefunden werden.

Die Suche nach dem Schuldigen: Ein Dreivierteljahr nach dem Vorfall dauern die Ermittlungen an. Der Fall ist kompliziert. Hätte die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben, kurz: Bima, von der Leitung wissen und die Baufirma davon unterrichten müssen? Oder hätte das Unternehmen bei der Verlegung einer Kabeltrasse für einen Windpark in Lichtenborn besser aufpassen müssen?

Nach Auskunft der Kreisverwaltung haben die Beteiligten inzwischen die Möglichkeit gehabt, sich bei einer Anhörung zu äußern. Die Rückmeldung eines Verfahrensbevollmächtigten stehe allerdings noch aus.

Sowohl der Projektierer, die Firma Abowind, als auch die Bima hatten auf eine zurückliegende TV-Anfrage die Verantwortung von sich gewiesen. Die Firma, ihr Subunternehmer und die Behörde bekundeten, nichts von der Leitung gewusst zu haben.

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