Gefahrenzone Zukunft entschärfen

IDENHEIM/ZEMMER/TRIER. Ursachen des Hochwassers beheben, statt an den Symptomen herumzudoktern: An einem Bach bei Idenheim gewinnen Wissenschaftler der Universität Trier grundlegende Erkenntnisse über das Abflussverhalten von Regenwasser. In Zemmer, Newel und Trier testen sie Maßnahmen des vorbeugenden Hochwasserschutzes.

Schäden in Millionenhöhe und zahlreiche Todesopfer: die jüngste Hochwasserkatastrophe im Süden Bayerns, der Schweiz und Österreich hat gezeigt, wie dringend ein Hochwasserschutz nötig wäre, der - anders als die gebrochenen Dämme - nachhaltig wirksam bleibt. Einige Geographen und Geowissenschaftler der Universität Trier suchen nach solchen Lösungen und erproben sie - für Mittelgebirge wie Hunsrück oder Eifel. Die Wissenschaftler bleiben dabei nicht in ihrem vermeintlichen Elfenbeinturm: in Idenheim, Zemmer, Newel und am Petrisberg in Trier testen sie praktische Maßnahmen eines vorbeugenden Hochwasserschutzes. Der klassisch technische Hochwasserschutz versucht mit Deichen oder Mauern, Schäden zu begrenzen. "Wo das passiert, ist es bereits zu spät", sagt Stephan Seeling, der Trierer Koordinator des EU-Projekts namens "Warela". Dieser Projektname leitet sich ab von "Water Retention by Land-use" - sinngemäß: Wasserrückhaltung durch angepasste Landnutzung. Technischer Hochwasserschutz doktere an den Symptomen des Hochwassers herum, statt seine Ursachen zu bekämpfen, sagt Seeling. "Warela" verfolge hingegen das Ziel, durch eine vorsorgliche Land-, Forst- und Siedlungswasserwirtschaft das Ausmaß von Überschwemmungen zu verringern. Der dahinter stehende Grundgedanke ist: Je mehr Regenwasser in einem bestimmten Zeitraum in die Flüsse gelangt, desto größer ist die Hochwassergefahr. Also muss man die je Zeiteinheit hinzuströmende Wassermenge verringern. Dies ist möglich, wenn mehr Wasser verdunstet, versickert oder zwischengespeichert wird. Seit Jahren Grundlagenforschung

Am Teitelbach bei Idenheim betreibt die Abteilung Physische Geographie seit Jahren Grundlagenforschung. "Die Daten helfen, Abflussprozesse besser zu verstehen", sagt Diplom-Geograph Tilmann Sauer. Das heißt, zu verstehen, was mit Regenwasser passiert, nachdem es auf der Erdoberfläche angelangt ist: ob, wie viel oder wie schnell es versickert. Besonders wichtig ist in Bezug auf Hochwasser die Frage, wann, wo und warum Wasser oberflächlich abfließt, denn so gelangt es besonders schnell in die Flüsse. Die in Idenheim gewonnenen Erkenntnisse können auf ganze Flusseinzugsgebiete hochgerechnet werden. Diplom-Geograph Christoph Müller testet auf Ackerflächen in Newel und Zemmer, wie sich bestimmte Methoden der Bodenbearbeitung auf die Fähigkeit der Böden auswirkt, Wasser aufzunehmen. Er arbeitet eng mit einheimischen Landwirten zusammen. Einige Äcker werden so bearbeitet, dass sie möglichst viel Wasser aufnehmen können: statt durch Pflügen, bereiten die Landwirte das Saatbett mit leichteren Geräten vor. Wo der Boden natürlicherweise oder durch die Bearbeitung extrem verdichtet ist, wird er tief gelockert. Ziel aller Maßnahmen ist es, das Aufnahme- und Speichervermögen der Böden mittel- bis langfristig zu erhöhen. Andere Parzellen werden konventionell bewirtschaftet. Anschließend zeigen Untersuchungen den Unterschied. Ein weiteres Untersuchungsgebiet liegt im Neubaugebiet am Petrisberg in Trier. Dort hat die Stadt ein in sich geschlossenes System der Regenwasserbewirtschaftung umgesetzt - mit architektonisch zum Teil aufwändig gestalteten Rückhaltebecken und Versickerungsmulden. Das nicht versickerte oder verdunstete Wasser wird gedrosselt an den Brettenbach abgegeben. Dieser mündet über den Olewiger Bach in der Mosel. Diplom-Umweltwissenschaftlerin Sandra Wintrich untersucht die Wirkungsweise des Systems. Die Trierer Daten fließen in ein digitales Modell ein, das für Mittelgebirge international anwendbar sein soll. Es soll den Raumplanern der Zukunft helfen, Flächennutzungen so zu planen, dass weniger Wasser in die Flüsse gelangt - und die Hochwassergefahr an der Mosel und ihren Nebenflüssen sinkt.

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