Gekommen, um wieder loszufahren: Herforster ist über 60 000 Kilometer mit seinem Motorrad durch die Welt gereist

Herforst · Alexander Conrad hätte es einfach haben können: Er hat studiert, einen tollen Job als Ingenieur und sein Arbeitgeber plant langfristig mit ihm. Doch der Eifeler hat andere Pläne. Er kündigt, setzt sich auf sein Motorrad und fährt los.

 Auf und davon: Alexander Conrad mit seiner BMW bei einem Stopp in Albanien. Foto: Privat

Auf und davon: Alexander Conrad mit seiner BMW bei einem Stopp in Albanien. Foto: Privat

Foto: (e_eifel )

Herforst. Der russische Hells Angel hatte ihn gewarnt: "Wenn du da unbedingt durchfahren willst, hatte er gesagt, "dann halt\' auf keinen Fall an - kein Tanken, kein Pinkeln, nichts. Fahr einfach durch!" Auch der Appell des Auswärtigen Amts ist eindeutig. Auf der Homepage der Behörde heißt es: "Von Reisen nach Nordossetien wird ausdrücklich abgeraten." Aber Alexander Conrad fährt trotzdem. "Irgendwie", sagt er, "hatte ich ja auch keine andere Wahl, um nach Georgien zu kommen". Also fährt er mit seinem Motorrad los. Vom russischen Pyatygorsk im Kaukasus in Richtung Süden.Waschechter Eifeler


Dort, umrahmt von Kaspischem und Schwarzem Meer, rund 1600 Kilometer südlich von Moskau, genau dort befinden sich die nordkaukasischen Teilrepubliken, gemeinsam bilden sie die Grenze zu Georgien. Eine von ihnen ist das bitterarme Nordossetien. Immer wieder schwappt der Tschetschenien-Konflikt in Form von terroristischen Anschlägen herüber. 2004 sterben bei einem Anschlag auf eine Schule in der Stadt Beslan über 300 Kinder. Conrad weiß das. Er macht sich dennoch auf den Weg. Und: Entgegen aller Warnungen hält er an. "Ich musste mal", sagt er. Und dann kommt es, wie es kommen musste: Plötzlich steht ein Unbekannter vor ihm ...
Alexander Conrad ist ein waschechter Eifeler. Er ist in Herforst aufgewachsen. Hier ist er zur Schule gegangen, hier hat er seine Freunde, hier lebt er noch heute. Sein Lebenslauf würde in einem Bewerbungsgespräch ganz sicher das Prädikat "lückenlos" erhalten.
Nach dem Abitur geht er für\'s Studium nach Köln. Maschinenbau. Das, was er immer wollte. 2008 ist Conrad fertig. Danach geht\'s als Ingenieur zu einer Firma nach Osnabrück. Es läuft bei ihm. Als sein Arbeitsverhältnis nach zwei Jahren ausläuft, legt das Unternehmen ihm einen gut dotierten Anschlussvertrag vor.
Aber Alexander Conrad lehnt ab. Der Eifeler Jung\' hat andere Pläne - er will hinaus in die Welt. "Ich konnte mir nicht vorstellen, bis zur Rente jeden Tag nur arbeiten zu gehen - das konnte es irgendwie nicht sein." Also beschließt der 31-Jährige, sich auf sein Motorrad zu setzen und loszufahren, hinaus in die Welt, ohne bestimmtes Ziel, "einfach Kurs Südost", sagt der junge Mann. Freunde und Familie können damit nur wenig anfangen. "Wie kannst du deinen Job für so etwas aufgeben?", haben sie ihn gefragt. Aber Conrad stört das nicht. Sein Plan steht fest. Er möchte raus.Tour als Appetithappen


Also präpariert er seine BMW F650 GS Dakar, bepackt sie und startet. Das ist im März 2012. Die Tour führt ihn durch Österreich, Slowenien, Kroatien, Bosnien-Herzegowina und Albanien. Mehrere Wochen ist er unterwegs. Es ist nur so etwas wie ein Appetithappen. Denn nach seiner Rückkehr nach Herforst merkt er schnell: "Ich will wieder los und diesmal weiter weg." Also packt Conrad kurz darauf wieder alles zusammen und kehrt der Eifel erneut den Rücken. Als er ein Jahr später zurückkehrt, wird ihn seine BMW 63 000 Kilometer durch über 20 Länder getragen haben - unter anderem durch Griechenland, die Türkei, den Iran und eben durch Russland. Dort im Südwesten Russlands in der Stadt Pjatigorsk macht er Station. Conrad will am nächsten Tag weiter nach Georgien. Davor braucht er noch einen Schlafplatz. Während er auf seiner Reise sonst oft auf Couchsurfing-Angebote zurückgreift (beim Couchsurfing bieten Freiwillige Schlafplätze für mehrere Nächte in den eigenen vier Wänden an), findet er sich in Pjatigorsk plötzlich im Haus eines Mitglieds des Motorradclubs Hells Angels wieder. "Der hat mich in der Stadt angesprochen und wollte wissen, wohin ich unterwegs bin", erzählt der Weltenbummler. "Plötzlich hat er mir angeboten, dass ich bei ihm übernachten könnte." Mit ungutem Gefühl sagt Conrad zu. "Im Nachhinein waren die Bedenken völlig unbegründet. Der Mann war super gastfreundlich." Als Conrad am nächsten Morgen aufbrechen will, gibt der Russe ihm dann den eingangs beschriebenen Tipp: "Halte nicht in Nordossetien an!""Das war unglaublich"


Doch Conrad macht es trotzdem - und dann steht er da, der unbekannte, augenscheinlich bitterarme Mann. Alexander Conrad schlackern die Knie. "Dann fragt der mich plötzlich, ob er eine Zigarette haben könnte." Conrad muss lachen, wenn er heute davon erzählt. Er überlegt kurz, dann gibt er dem Mann die halbe Packung. "Der hat sich so gefreut, dass er mich danach mit zu sich in seinen Wohnwagen genommen und mir Brot, Hühnchen und Obst angeboten hat - das war unglaublich." Alle Bedenken seien vollkommen unbegründet gewesen. Auf seinen Touren gelte für ihn daher das Motto: "Wenn Leute mir sagen, \'fahr da auf gar keinen Fall hin\', dann mache ich mich erst recht auf den Weg."
Natürlich hat Alexander Conrad auf seinen Welttouren noch viel mehr Abenteuer erlebt, als in diesen Artikel passen. Vieles davon erzählt er am Freitag, 27. März, bei einem Vortrag im Haus der Jugend in Bitburg. Los geht\'s um 20 Uhr.Extra

Eine Frage, die sich jedem Außenstehenden stellt, ist die der Finanzierung. Alexander Conrad sagt: "Man braucht im Ausland nicht so viel Geld zum Leben." Seine Reisen hat er sich durch Rücklagen finanziert. Zudem hat er während seiner Touren immer wieder gearbeitet. mfrExtra

Alexander Conrad packt schon wieder das Fernweh: Anfang April geht\\'s für ihn mit dem Flugzeug nach New York. Sein Motorrad hat er schon vor Wochen mit dem Schiff in Richtung Nordamerika verschickt. Sein Plan: Über den Dalton Highway in Alaska im Norden der Vereinigten Staaten soll es in Richtung Süden gehen. Wenn es klappt, dann sogar bis Kap Hoorn, am südlichen Zipfel Chiles. Ein Zeitlimit hat sich der Weltenbummler aus Herforst nicht gesetzt. Ob er irgendwann mal wieder ein "normales Leben" in Deutschland führen will, wisse er heute noch nicht, sagt Conrad. mfr

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