Gesucht: Der Reifenkiller der Nordeifel

Kall/Euskirchen · Ein lautes Klacken, ein Schlagen - der Autoreifen ist platt. Seit Wochen ist die Euskirchener Polizei hinter einem Unbekannten her, der angespitzte Metallplättchen auf die Straßen im Kreis legt. Weil diese Plättchen Profiarbeit sind, haben die Beamten 170 metallverarbeitende Betriebe im Kreis durchsucht.

Kall/Euskirchen. Michael Schneider ist immer noch sauer. Der Kaller ist einer der bisher 156 Geschädigten, die die "Reifenkiller" - präparierte Nagelplättchen - erwischt haben. "Es war im Januar, abends, gegen 19.30 Uhr", erinnert sich der 38-Jährige. "Ich fuhr auf die Wallenthaler Höhe in Richtung Mechernich." Plötzlich habe er ein lautes Klacken und Schlagen im Reifen gehört. Als er dem Geräusch auf den Grund ging, entdeckte er die Bescherung. "Da steckte ein angespitzter Nagel drin", sagt Schneider. Der Reifen war hin und musste ausgetauscht werden. 200 Euro hat Schneider die Reparatur gekostet. Doch er hat Glück gehabt, denn ihm ist nichts passiert. Doch er macht sich Gedanken darüber, dass diese Nagelplättchen für andere weit schlimmere Folgen haben könnten: "Was ist, wenn ein Motorradfahrer so ein Plättchen erwischt?"
Genau das ist eine der Sorgen der Kreis Euskirchener Polizei, die fieberhaft denjenigen sucht, der die Reifenkiller gebaut und auf den Straßen ausgelegt hat. Vergangene Woche suchten die Beamten 170 metallverarbeitende Betriebe auf. In der Geschichte der Euskirchener Polizei sei es eine der größten Befragungsaktionen der vergangenen Jahre. Die Polizei will neue Erkenntnisse gewinnen, mit welchen Maschinen solche Plättchen hergestellt werden können.
Dabei, so Polizeihauptkommissar Martin Klink, Hauptermittler im Nagelplättchen-Fall, suchten Polizisten mit Unterstützung der Einsatzhundertschaft aus Aachen Betriebe im Kreis auf und befragten die Firmeninhaber und ihre Mitarbeiter. Überall, so Klink, seien die Beamten erwartet worden. Man habe große Kooperationsbereitschaft und Unterstützung erfahren.
So auch in Kall, als Klink, Polizeisprecher Lothar Willems und Rolf Pauls, der Leiter des Verkehrskommissariats, die Stahlbau-Firma Müller und Sohn zur Befragung aufsuchten. Es ist die Firma, in der auch Michael Schneider arbeitet. Geschäftsführer Thomas Müller half den Beamten gerne. Er zeigte ihnen das Stahlband, das normalerweise schwere Lasten zusammenhält. "Wie Tesafilm, nur fester und größer. Später landet das Verpackungsband auf dem Schrott", erklärte Müller in der Stahlbau-Werkstatt, in der 35 Mitarbeiter beschäftigt sind. Er und sein Vater Gregor Müller legten sogar selbst Hand an, schnitten das Stahlband mit einer einfachen Stahlschere auseinander und versuchten, einen Nagel durch das Metall zu hämmern. Vergebens.
"Die Kanten der gefundenen Plättchen sind sauber abgetrennt. Das geht nur mit einer hydraulischen Presse. Die Fallen sind Profiarbeit", sagte Ermittler Klink. Die Nägel sind zudem leicht angespitzt. Die Polizei unterstellt dem Bauer der Reifenkiller durchaus hohes handwerkliches Geschick. Und ist überzeugt, dass niemand die bisher 200 gefundenen Nagelplättchen "in seinem Hobbykeller gebastelt" hat.
Die Beamten gehen daher der Frage nach, wer über entsprechende Stanzmaschinen verfügt, das notwendige Wissen zur Herstellung der Nagelplättchen hat und wo das Stahlband ausgeliefert wird. Die Nagelplättchen werden nach bisherigem Ermittlungsstand frühmorgens oder abends ausgelegt. Betroffen waren überwiegend Autofahrer, die zur Arbeit fuhren oder heimkehrten. "Der Täter muss mobil sein. Möglicherweise beobachtet er das Ganze aus sicherer Entfernung", beschreibt die Polizei das Phantom, das für massenweise platte Reifen zuständig ist. Sein Motiv ist unklar.
Bisher blieb es bei Sachschäden. "Verletzt wurde noch niemand", sagte Polizeisprecher Willems. Auf der Suche nach dem unbekannten Täter tappt die Polizei noch im Dunkeln. Seit April 2011 wurden laut Willems rund 200 Stahlplättchen mit Nägeln auf den Straßen im Bereich Kall, Schleiden, Hellenthal und Mechernich gefunden. "Der Täter streut sie nicht aus, er legt sie gezielt in Fahrspuren", wissen die Beamten inzwischen nach einem Fund in Obergartzem.
"Das ist kein Kavaliersdelikt, das ist eine Straftat", sagte Willems. Der Sachschaden beläuft sich mittlerweile auf mehr als 10 000 Euro. Der letzte bekannte Fall ist vom 8. März. Auch die Polizei wurde bereits Opfer der Reifenkiller. Am 29. Dezember fuhren Beamte in Schleiden in eine Nagel-Falle.
Die Polizei nimmt Hinweise unter Telefon 02251/799476 oder 7990 entgegen. Es ist eine Belohnung in Höhe von 500 Euro ausgelobt.

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