Giftige Schönheit

Daun/Gerolstein · Leuchtend rot steht er zurzeit in den Wäldern: der Fliegenpilz. Einen guten Ruf besitzt er nicht, denn er ist giftig. Dabei hat der Fliegenpilz mit seinem ungewöhnlichen Namen eine interessante Geschichte zu erzählen.

Daun/Gerolstein. Jetzt ist Pilzzeit: Kenner durchstreifen die Wälder auf der Suche nach den edlen Gewächsen. Vereine werben für Pilzaktionen. Und jeder schwärmt für Steinpilze, Pfifferlinge und Champignons. Und alle kennen den Fliegenpilz mit seinem roten Hut und den weißen Warzen, verdammen ihn und machen einen großen Bogen um ihn.
Dabei ist dieser unverwechselbare Blätterpilz einer der hübschesten und farbenfrohesten Pilze in unseren Wäldern. Er ist es wert, näher kennengelernt zu werden. Besonders, wenn man der Frage nachspürt, woher der Name kommt.
Häufig in Nadelwäldern


Zu finden ist der Fliegenpilz auf der gesamten nördlichen Halbkugel, vom Sommer bis in den Herbst hinein, besonders häufig in Nadelwäldern. Verschrien ist er als giftiger Pilz, da sein Fruchtkörper und die Lamellen Gifte beinhalten, vor allem das Muscarin und Muscimol. Beim Verzehr rufen diese Gifte starke Erregungs- und Rauschzustände hervor.
Und genau dies wussten bereits unsere Ahnen. Es gibt Hinweise, dass dieser Pilz in germanischen Völkern von Priestern und Druiden bei rituellen Handlungen eingesetzt worden war. Bereits die römische Geschichtsschreibung berichtet von Fehden und kriegerischen Auseinandersetzungen, in denen die Kämpfer und Soldaten Fliegenpilz-Drogen einnahmen.
Dadurch geriet man in eine rauschhafte Wut, die noch heute als sprichwörtliche "Berserkerwut" bekannt ist. Berserker waren im Rausch kämpfende Menschen, die keine Schmerzen oder Wunden mehr wahrnehmen. Sie waren tobsüchtig, entwickelten aber gleichzeitig eine unbändige Kraft und stürzten sich todesverachtend auf den Gegner. Man denke nur an das Dorf von Asterix und Obelix, dessen Bewohner ihre Kraft auch durch einen Zaubertrank gewannen. Bekannt ist der Gebrauch als Rauschdroge bei einigen indianischen Stämmen in Mittelamerika. Noch heute wird der Fliegenpilz von nordasiatischen und nordeuropäischen Völkern benutzt, um in Ekstase zu geraten.
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Das aufkommende Christentum verbot den rituellen Gebrauch des Fliegenpilzes, der auch bei orgiastischen Kulthandlungen oder religiös-mystischen Götterfesten zum Einsatz kam. Die katholische Kirche machte den Pilz zu einem Sinnbild des Teuflischen, drängte ihn hin ins Sündhafte und machte ihn zum Attribut von Hexen. Dem Aberglauben nach sollen Hexen sich auch mit "Fliegenpilzsalbe" eingefettet haben, um so besser durch enge Schornsteine entfliegen zu können.
Den Namen "Fliegenpilz" verdankt er aber wohl seinem vielfältigen Einsatz als Fliegenfalle. Rezepte und Gebrauchsanweisungen dafür finden sich schon im 13. Jahrhundert. Als wichtiges Hausmittelchen diente der giftige Pilz bis in die jüngste Vergangenheit hinein, als es noch keine Fliegenleimruten oder Anti-Mücken-Sprays gab. Unsere Vorfahren sammelten den Fliegenpilz, trockneten ihn und weichten dann einzelne Pilzstückchen in Milch oder Wasser ein. Diese Mischung entwickelte einen unwiderstehlichen Duft, der Fliegen und andere Insekten anlockte, die nach Genuss dieser "Pilzsuppe" in der Flüssigkeit berauscht ertranken.
Fliegenpilze sind zwar giftig, sind aber in ihrer Gefährlichkeit nicht mit dem Knollenblätterpilz zu vergleichen. Die Rauschzustände, Halluzinationen und Angstzustände, die Übelkeit, Herzrhythmusstörungen und Krampfanfälle, die Nerven- und Nierenstörungen, die sie bei Verzehr hervorrufen, sind keine Glücksbringer. Im Gegenteil.Extra

Ein altes Kinderlied: Fliegenpilze, keiner will se, ach wie sind sie schön. Rotes Jäckchen, weiße Fleckchen, niedlich anzuseh\\'n. Und da spricht die Frau Mama: Giftig sind die Dinger da. Esst sie nicht, sonst wird`s euch schlecht, nun wisst ihr es recht. avi

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