Glaube im alltag

"Der Heilige Geist gebe uns Geduld, aufeinander zu hören." Diese Bitte im Gebet für die Synode im Bistum Trier ist mir im Bewusstsein geblieben.

Geduld - auf den ersten Blick keine gefragte Tugend in unserer Zeit. Unsere Arbeitswelt, aber zunehmend auch die Familien- und Freizeit, ist geprägt von vollen Terminkalendern und einer straffen Zeiteinteilung. Alles soll schnell gehen, Zeit ist Geld, und das Erledigen mehrerer Aufgaben gleichzeitig schon fast Voraussetzung, um mithalten zu können. Und dann soll uns der Heilige Geist plötzlich Geduld geben, um aufeinander zu hören? In unserem Alltag können wir täglich erleben, dass geduldiges Zuhören wohl eher die Ausnahme ist. In der Familie, am Arbeitsplatz, im Verein und auch in den Diskussionsrunden im Fernsehen reden oft alle Gesprächspartner wild durcheinander. Aufmerksamkeit erhält, wer etwas zu sagen hat, nicht wer geduldig zuhört. Was bedeutet denn "geduldig aufeinander zu hören"? Ich glaube, es ist wichtig, mich selbst zurückzunehmen, zuerst einmal nur zuhören, was mein Gegenüber sagt. Ich kann nachfragen, wenn mir etwas unklar ist, und dann versuchen, den Menschen und die Situation zu verstehen. Es geht erst mal um den Anderen. Meine Erfahrungen muss ich weder direkt mitteilen, noch als allgemeingültig betrachten. Ein guter Rat oder ein Lösungsvorschlag ist vielleicht (noch) nicht gefragt. Von Jesus kennen wir viele Beispiele, in denen er Menschen, ihren Geschichten und Bitten zuhört. Bei der Begegnung mit dem blinden Barthimäus bleibt er sogar stehen und ruft ihn zu sich, da die Hilferufe des Bettlers im Stimmengewirr der Menge unterzugehen drohen. Uns hat Jesus zugesagt, dass wir den Vater im Himmel immer ansprechen dürfen. Er hört zu und nimmt jeden ernst. Wenn uns die Worte fehlen, wir stammeln und stottern und das, was wir sagen, niemanden beeindruckt - Er hört geduldig zu. Auch wir können einem Menschen Wertschätzung und Achtung entgegenbringen, indem wir ihm zuhören, ihn ausreden lassen und das Gesagte nicht sofort mit unseren Maßstäben werten. Ich wünsche der Synode viele geduldige Zuhörer. Hildegard Cremer Vorsitzende Pfarrgemeinderat Schönecken

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