GLAUBE IM ALLTAG

Dieser Tage bietet sich vielerorts das gleiche Bild. Verkleidete reiten durch die Straßen.

 Miniatur, Fulda, um 975.

Miniatur, Fulda, um 975.

Foto: (e_eifel )

Und viele, meistens Kinder, folgen ihnen. Es ist Sankt Martin, dessen Gedenktag wir am 11.11. feiern. Ganz unterschiedliche Bräuche sind mit diesem Tag verbunden. Die Martinsgans oder der Brauch, diesen Tag als Stichtag für Pacht- und Lehns oder Arbeitsverträge zu wählen. Und selbstverständlich, der traditionelle Martinsumzug. Oft beginnt er in der Kirche mit einem Gottesdienst und einem Spiel oder einer Erzählung zum Heiligen Martin, dem sich dann der Umzug anschließt. Den führt ein als Martin verkleideter Reiter an. Unterwegs singt man verschiedene Martinslieder - in der Regel wird dabei erinnert, wie Martin seinen Mantel teilte. Ziel ist ein großes Martinsfeuer. Dort erhalten die Kinder süße Brezeln. Anlehnung und Erinnerung an all das Gute, das Martin bewirkt hat. Ich kenne viele Darstellungen des Heiligen Martin, die genau diese Mantelspende zeigen. Eine beeindruckt mich besonders, weil sie anders ist: Da sieht man auch, wie Martin seinen Mantel teilt und weiter gibt. Aber: Martin ist vom Pferd herab gestiegen und begegnet dem Bettler auf gleicher Ebene, auf Augenhöhe sozusagen. Ich glaube, dass diese Darstellung sicherlich eher die Haltung Martins widerspiegelt. Es ist eine Haltung der Wertschätzung und Liebe dem Menschen gegenüber, die drängt ihn zum Teilen und Helfen. Dieses Bild ist eine Miniatur aus Fulda, um 975 gemalt, also schon mehr als 1000 Jahre alt! Es zeigt, dass Martin von seinem hohen Ross herunter gekommen ist. Für mich ein starkes Zeichen christlicher Liebe und Nächstenliebe. Ich bin überzeugt, dass diese Zuwendung auf gleicher Ebene auf ihre Weise viel stärker wärmt und Leben spendet als das Stück Mantelstoff alleine. Gleichzeitig frage ich mich, mit diesem Bild vor Augen, welche Motive beim Teilen, Spenden und Helfen noch vorkommen. Es gibt ja etwa das sogenannte Helfersyndrom: Da hilft der Helfer im Grunde nur aus dem Kernmotiv heraus, sich als Helfender gut zu fühlen. Und riskiert dabei, dass er den Hilfe Bedürftigen entmündigt. In diesem besonderen Bild hilft Martin also, indem er mit beiden Füßen auf dem Boden steht, erkennt, was die Not ist und im Augen- und damit im mitmenschlichen Kontakt Zuneigung, Anerkennung und Wertschätzung bezeugt. Das macht ihn zum heilenden Heiligen. Johannes Eiswirth, Geschäftsführender Dekanatsreferent, Dekanat St. Willibrord Westeifel

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