Große Hürden für eine kleine Frau

Bitburg · Seit zweieinhalb Jahren bemüht sich Elfriede Graupeter um eine Aufnahme in die Pflegestufe. Doch die 72-Jährige, die seit ihrer frühen Kindheit körperlich stark behindert ist, erfüllt aus Sicht des Medizinischen Diensts nicht die Voraussetzungen für die Gewährung von Pflegegeld. Doch Graupeter gibt nicht auf und hilft, solange es noch geht, anderen Menschen, die in einer ähnlichen Lage sind.

 Ohne ihren Rollator ist Elfriede Graupeter völlig hilflos. Die Rampe musste die mehrfach behinderte 72-Jährige trotzdem aus eigener Tasche bezahlen. TV-Foto: Uwe Hentschel

Ohne ihren Rollator ist Elfriede Graupeter völlig hilflos. Die Rampe musste die mehrfach behinderte 72-Jährige trotzdem aus eigener Tasche bezahlen. TV-Foto: Uwe Hentschel

Bitburg. "Da bringt die beste Dusche nichts", sagt Elfriede Graupeter, "denn mein linkes Bein ist 13 Zentimeter kürzer als das andere." 13 Zentimeter sind enorm. Und stellt man diese dann noch in Relation zur Körpergröße, dann benötigt man nicht viel Fantasie, um sich vorzustellen, dass Elfriede Graupeter sich sehr plagen muss. Denn die 72-Jährige misst gerade mal 1,26 Meter. "Früher waren es 1,40 Meter", erklärt sie, doch aufgrund einer schweren Krankheit, die ihr Leben bereits seit ihrer Kindheit bestimmt, und dem daraus resultierenden Wirbelsäulenschaden ist sie im Alter deutlich geschrumpft.
Menschen ganz nah


Deshalb ist das Duschen eine Tortur. So wie auch die Bewältigung des restlichen Alltags.
"Ohne fremde Hilfe geht es nicht", sagt Graupeter. Sei es beim An- und Auskleiden, beim Einsteigen ins Auto, beim Einkaufen oder aber eben beim Duschen. Jeden Morgen kommt der Pflegedienst. Der hilft ihr. Und den bezahlt sie aus eigener Tasche. Genau wie den behindertengerechten Umbau ihrer Wohnung, wie beispielsweise die Rollstuhlrampe vor der Haustür oder aber die Küche, die speziell für ihre Körpergröße eingerichtet wurde und nun - genau wie der seinerzeit ebenfalls angepasste Kleiderschrank - wieder zu hoch ist.
Seit zweieinhalb Jahren bemüht sich Graupeter deshalb um eine Aufnahme in Pflegestufe I. 225 Euro bekäme sie dann monatlich zusätzlich zu ihrer mageren Rente. Das würde zumindest reichen, um den morgendlichen Pflegedienst zu bezahlen. Doch der Medizinische Dienst der Krankenversicherung (MDK), der über die Pflegeeinstufung entscheidet, lehnt das ab. Denn aus Sicht des MDK ist der Pflegeaufwand nicht hoch genug, um ihn finanziell zu unterstützen. Dass Elfriede Graupeter ohne den Pflegedienst, ihre Haushaltshilfe, ihren Rollator und vor allem ohne ihren berufstätigen Lebenspartner, der sich aufopfernd um sie kümmert, völlig verloren wäre, interessiert keinen.
Trägerin des Verdienstkreuzes


Doch die gelernte Buchhalterin, die nach ihrer Verwaltungsprüfung beruflich in den sozialen Bereich wechselte und an deren Wohnzimmerwänden zwischen alten Fotos auch das Verdienstkreuz am Bande hängt, gibt nicht auf. Sie ist vor das Sozialgericht gezogen, um den Pflegegeld-Anspruch durchzusetzen. "Es geht nicht allein um mich", betont sie, sondern auch um die vielen hilfsbedürftigen Menschen im Eifelkreis, denen es ähnlich oder noch schlechter gehe. Elfriede Graupeter kennt viele von ihnen. Denn die 72-Jährige, die so etwas wie das soziale Gewissen des Eifelkreises ist, hat bereits zahlreichen alten Menschen sowohl bei der Pflegeeinstufung als auch bei der Beantragung der Grundsicherung (siehe Extra) geholfen.
Viele Ältere in der Eifel bekämen nur ganz wenig oder sogar gar keine Rente, erklärt sie. Und diesen Menschen müsse geholfen werden. "Was in meiner Macht steht, mache ich noch", sagt Graupeter. Schließlich sei sie geistig noch fit.
Letzteres ist auch der Grund, warum sie sich nach wie vor politisch engagiert: sowohl im Stadtrat als auch im Kreistag. Sie sei froh und dankbar, dass sie dabei von Fraktionskollegen unterstützt werde, sagt sie. "Die holen mich ab und bringen mich danach auch wieder nach Hause." Schließlich könne sie selbst kein Auto mehr fahren.
Zwar parkt ihr kleiner alter grüner Toyota nach wie vor am unteren Ende der Rollstuhlrampe. Doch wenn dieser bewegt wird, ist Elfriede Graupeter höchstens Beifahrerin. Sofern ihr jemand beim Einsteigen hilft.
Extra

Die Grundsicherung ist eine aus Steuergeldern finanzierte Sozialleistung, mit der Menschen geholfen werden soll, die ihren Lebensunterhalt nicht durch eigenes Vermögen oder Einkommen bestreiten können. Anspruch auf die Grundsicherung haben Menschen, die mindestens 65 Jahre alt sind, aber auch Erwachsene (ab 18 Jahren), die wegen Erwerbsminderung dauerhaft aus dem Berufsleben ausgeschieden sind. uhe

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