guten_morgen_dj

Früher, da war alles besser. Tausend Mal und mehr. Das sagen nur alte Menschen? Falsch. Auch bei uns Jüngeren ist die Verklärung dick im Geschäft. Allerdings anders verpackt. Da nennt sich das Ganze "Retro-Style".

Das fing an, als sich Endzwanziger Turnschuhe kauften, die sie schon in der Grundschule trugen. Mit Namen wie Trimmtrab oder Gazelle. Manche trugen Turnerjacken mit Aufschriften von Ländern spazieren, die die Kinder von heute allenfalls aus dem Geschichtsunterricht kennen.Die Retrospektiven mögen in der Mode abebben. Aber aus dem Kopf sind sie nicht. In letzter Zeit habe ich Folgendes festgestellt: Egal mit wem ich mich in meiner Altersklasse unterhalte - ob mit einer Wildfremden bei einer Hochzeit oder mit Freunden in der Kneipe - früher oder später landen wir immer beim selben Thema: unsere Kindheit in den 70er oder 80er Jahren. Bonanza- oder BMX-Rad? "Ein Colt für alle Fälle" oder "Die rote Zora"? "Captain Future” oder "Cat weazle”? Daran führt einfach kein Weg vorbei. Und ich muss zugeben: Ich liebe es. Ich könnte stundenlang davon erzählen, dass mir meine Eltern das Herz gebrochen haben, weil sie sich weigerten, mir ein BMX-Rad zu schenken. Oder von meinen abgewandelten Gute-Nacht-Gebeten à la: "Lieber Gott, wenn es dich wirklich gibt, dann bin ich morgen ein Junge oder aber ich habe zumindest den Kitt von ,Knight Rider' vor der Tür stehen." Ein bisschen morgendlicher Balsam für das Langzeitgedächtnis: Tri-Top, Flutschfinger, Winter Games, Ford Taunus, Ess papier, Treets, Moon-washed Jeans - okay, es war nicht alles besser. Während ich mit fernem Blick den Kopf hebe, sehe ich meinen 14-jährigen Neffen, wie er vor der Playstation verständnislos den Kopf schüttelt: "Taunus, aha. Gab es damals etwa auch einen Opel Hunsrück? Oder einen Porsche Vulkaneifel?"

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