Heidenspaß mit der Geißel Gottes

JÜNKERATH-GLAADT. Sogar der Kaiser kam vorbei: Kölner Ostgoten, Aachener Karolinger und Jünkerather Hunnen haben zwei Tage lang auf der Burg Glaadt gelagert – und dabei viel Publikum angelockt.

In Jünkerath hausen die Barbaren, das weiß in den Nachbardörfern jedes Kind - und ist ja auch historisch verbürgt: Irgendwann im fünften Jahrhundert seien Attilas Horden durch die Gegend gezogen, wie Ortsbürgermeister Rainer Helfen bei seiner Begrüßung am Samstagnachmittag berichtete. "Und einige sind offenbar damals hier hängen geblieben", sagte Vera Soose-Seitz, bekennende Mithunnin und -organisatorin des wilden Wochenendes auf der Glaadter Burgruine. Die Jünkerather Horde, berichtete sie, entstand vor karnevalistischem Hintergrund: Im Jahr 2000 hätten neun Kylltalnarren beschlossen, diese Gruppe zu gründen und im Zug mitzufahren. Nicht nur in der eigenen Gemeinde. "Attila" Harald Heinzen: "Der Wagen fährt jedes Jahr in mehreren Orten - in Jünkerath, beim Nachtzug in Glaadt, in Stadtkyll oder in Hillesheim." Die aufwändigen Kostüme besorgten sich die Jünkerather bei einer Kölner Horde, die sich damals aufgelöst hatte. Und über diese knüpfte man Kontakt zu weiteren "historischen" Stämmen. Zum Beispiel den Kölner Ostgoten, die nun mit ihrem Anführer "Hedderich" ins Obere Kylltal gereist waren. Der Mann mit dem passenden Zivilnamen Armin Volkmann sieht auf den ersten Blick aus, als könne er eine ganze Burg locker im Alleingang schleifen. Tatsächlich aber sind die Kölner Ostgoten vor allem karitativ unterwegs: "Das ist mehr als nur Kostümierung", sagt er. "Wir haben zum Beispiel einen Therapie-Spielplatz für die Kölner Uniklinik bauen lassen und waren maßgeblich daran beteiligt, dass in Tibet die erste Blindenschule eröffnet werden konnte." Die Goten sind eben längst nicht mehr die Barbaren, die sie einmal waren: Hedderich entschuldigte sich daher später auch bei Attila für sein kleines Gefolge an diesem Wochenende. Der Grund: "Viele von uns stehen in diesen Tagen im Dienste des Heiligen Vaters ..." Harald Heinzen freute sich derweil in seiner "Eigenschaft als Attila" (Zuname: Geißel Gottes) nicht nur darüber, ein stündlich wachsendes Publikum auf der Burg begrüßen zu können, sondern auch darüber, eine prunkvolle Abordnung der Karolinger aus dem Aachener Raum willkommen zu heißen. An deren Spitze: ein kaiserlich strahlender Karl der Große. Vom Suppenteller ins Geschichte-Loch

Der heißt in Wirklichkeit Josef Beuen, stammt aus der Aachener Nachbarstadt Stolberg, lebte und arbeitete in Köln und zog vor acht Jahren nach Jünkerath. Der Grund: Er wollte raus aus der Stadt. "Köln - das ist doch keine Landschaft, das ist ein Suppenteller! Und dann komme ich hierher und stürze in dieses geschichtliche Loch", erläuterte der "totale Kaiser-Karl-Freak", der auch schon am Grab Ludwigs des Frommen gestanden hat und alles über die Karolinger liest, was er "in die Finger kriegen kann". Deshalb wollte er auch sofort alle Einzelheiten über das am 10. und 11. September anstehende Wochenende rund um "seinen" Enkel Kaiser Lothar I. in Prüm erfahren (der TV berichtete). Kurz darauf wurde zur Tafel gerufen, zugleich strömten weitere Besucher auf die Burg. Auch am Sonntag setzte sich das fort: Den ganzen Tag lang pilgerten Bürger aus Glaadt, Jünkerath und Umgebung auf das Gelände - ganz im Sinne der Gastgeber, die letztlich mit dem fröhlichen Mummenschanz einen ernsthaften Zweck verfolgen. Vera Soose-Seitz: "Das Wochenende hat gezeigt: Das Interesse ist da. Das ist unser Ziel - dass das Fest angenommen und die Burg wieder öfter genutzt wird."

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