Zehn Jahre Einblicke mit Herbert Fandel in Bitburg Im Wohnzimmer geht’s ans Eingemachte
Bitburg · Einblicke – die bietet die Gesprächsreihe von Herbert Fandel seit genau zehn Jahren. Und zwar oft überraschende, ungewöhnliche und immer höchst menschliche. Zeit, innezuhalten und zurückzublicken.
Er will hinter das Lächeln sehen, den Menschen hinter der öffentlichen Person kennenlernen, Lebenswege nachzeichnen. Wege von Menschen, die auf ihre Weise für Herbert Fandel alle besondere Persönlichkeiten sind.
Er hatte schon Fußballpräsident Theo Zwanziger zu Gast, aber auch Klavierstimmer Franz Mohr, der für Steinway mit weltberühmten Pianisten wie Rubinstein und Horowitz gearbeitet hat. Ob der letzte Ministerpräsident der DDR, Lothar de Maizière, oder Sterneköchin Lea Linster: Sie alle waren schon bei Fandel in Bitburg und gaben in Wohnzimmer-Atmosphäre Einblicke in ihr Leben.
Einblicke, so heißt die Gesprächsreihe, die der Bitburger Kulturamtsleiter und langjährige Fifa-Schiedsrichter und Chef der deutschen Schiedsrichter vor genau zehn Jahren erstmals auf die Bühne gebracht hat – und die sich inzwischen längst einen Namen weit über den Eifelkreis hinaus gemacht hat. Kaum angekündigt, sind die Abende ausverkauft. Bisheriger Rekord: In weniger als zwei Minuten waren die knapp 300 Karten für die Veranstaltung mit Gregor Gysi weg.
Obwohl er mit seinen prominenten Gästen wesentlich größere Säle füllen könnte, bleibt Fandel bewusst im Haus Beda. Ein intimer Rahmen mit ausreichend, aber nicht zu viel Publikum. Das, was er mit seinen Gästen besprechen will, braucht das Gefühl von Privatheit. Fandel will einen Kontrapunkt setzen zum Schnellen, Schrillen, Lauten.
Im Jubiläumsjahr sollte der Schauspieler Sky du Mont ein bisschen Hollywood nach Bitburg bringen. Doch die Veranstaltung im März musste, damals noch überraschend, wegen der Corona-Pandemie abgesagt werden. Nun steht fest: Auch der Abend mit dem langjährigen Moderator und Gesicht des ZDF-Sportstudios, Dieter Kürten, fällt aus. Kürten sollte am 12. November nach Bitburg kommen. Karten wurden noch keine verkauft. Fandel will auf Nummer sicher gehen: „Wer weiß, wo wir dann mit der Pandemie stehen“, sagt er. Und gefährden möchte er niemanden.
Im Ergebnis bedeutet das: Ausgerechnet im Jubiläumsjahr wird es keinen einzigen „Einblicke“-Abend geben. Dafür ein paar Einblicke des Moderators, mit dem wir über die Anfänge seiner Talkreihe gesprochen haben, die schon jede Menge Prominenz nach Bitburg gebracht hat:
Wie sind Sie auf die Idee für diese Gesprächsreihe gekommen?
Herbert Fandel: Ach, ganz einfach. Das war in der Zeit, als ich noch Bundesvorsitzender der deutschen Fußballschiedsrichter war. Da war ich in Teilen ja selbst Gast in solchen Talk-Formaten. Und so kam ich auch in den „Talk im Bock“ im Allgäu. Das hat Bernd Dassel moderiert. Wie er das gemacht hat, hat mir sehr imponiert. Da wusste ich, dass ich das in meiner Heimat auch machen möchte.
Warum hat „Talk im Bock“ Ihnen so gut gefallen?
Fandel: Wir saßen zwei Stunden auf der Bühne und haben uns unterhalten. Der Moderator war top vorbereitet. Ich habe an diesem Abend von mir einiges preisgegeben – auch, weil es der Moderator verstand, klug zu fragen, und mich nicht vorführen wollte. Das hat mir imponiert.
Inwiefern?
Fandel: Wenn ich mich auf meine Gesprächspartner vorbereite, weiß ich auch um deren Schwachstellen und Brüche im Lebenslauf. Ich lasse das nicht aus. Aber ich lasse jedem auch die Freiheit, selbst zu entscheiden, was und wie viel er sagen möchte. Es wird niemand vorgeführt.
Was haben Sie bei „Talk im Bock“ preisgegeben?
Fandel: Ich war damals als Schiedsrichter bekannt für mein direktes, konsequentes Vorgehen. Das mochten nicht alle Spieler und deshalb war ich auch bei ihnen nicht immer beliebt. Der Respekt bei Spielern und Vereinen war mir aber wichtiger als Beliebtheit. Natürlich habe ich auch Fehler gemacht. Als recht junger Schiedsrichter habe ich einmal den heutigen Bayern-Manager Hazan Salihamidzic zu Unrecht des Feldes verwiesen. Das habe ich im Anschluss auch öffentlich als Fehler eingeräumt. Trotz Millionenpublikum und großer Verantwortung einen Fehler einzuräumen, hat mich das weitergebracht, hat mich das gestärkt.
Können Sie sich noch an Ihre ersten Gäste erinnern?
Fandel: Aber klar. Fußballpräsident Theo Zwanziger war mein Eröffnungsgast. Und dann Franz Mohr, der Chef-Klavierstimmer bei Steinway. Die Resonanz auf die Gesprächsreihe war anfangs recht verhalten. Selbst die dritte Veranstaltung mit Fernsehintendant Friedrich Nowottny war nicht ganz ausverkauft. Mit Nowottny war ich erstmals im Haus Beda, zuvor mit Zwanziger in der Bitburger Stadthalle und mit Mohr im Barocksaal im Regino in Prüm. Da anfangs im Haus Beda doch noch etliche Plätze frei blieben, wusste ich, dass ich diese Reihe erst etablieren muss.
Wer Ihrer Gäste hat Sie am meisten beeindruckt?
Fandel: Heiner Geißler und Norbert Blüm. Ihre Erfahrung, ihre Gelassenheit fernab von jedem Populismus haben mich tief beeindruckt. Beides sind starke, authentische Persönlichkeiten mit einer starken Ausstrahlung. Unvergessliche Abende für mich.
Frauen kamen ja nicht so viele?
Fandel: Ja, stimmt. Aber in den vergangenen Jahren sind es schon deutlich mehr geworden. Da hat mich Margot Käßmann sehr beeindruckt. Diese enorme Karriere, die sie in einer Männerwelt gemacht hat, und die Anstrengung, die sie durchstehen musste, bevor sie sich als Frau an die Spitze der evangelischen Kirche gekämpft hat. Und dann der konsequente Schnitt, den sie nach ihrer Alkoholfahrt zog: Alle Ämter hat sie niedergelegt, und auch aus den Medien hat sie sich komplett verabschiedet. Das ist konsequent. Eine Haltung, die ich bewundere. Das gilt auf einer anderen Ebene auch für Marianne Sägebrecht. Für die war völlig klar, nicht nach Hollywood zu gehen, obwohl sie da Karriere hätte machen können. Sie wollte sich dem Zirkus aber nicht aussetzen und hat für sich andere Prioritäten gesetzt und dabei den Mut bewiesen, zu sich selbst zu stehen.
Worum geht es Ihnen?
Fandel: Mich interessiert vor allem ihr Lebens- und Karriereweg, ihre Probleme, Sorgen und Nöte. Mich interessiert der Mensch hinter der öffentlichen Person. Mit ihm will ich ins Gespräch kommen.
Hat Sie auch mal einer Ihrer Gesprächspartner völlig aus dem Konzept gebracht?
Fandel: Ja, Überraschungen gab es öfter. Aber sprachlos war ich für einen Augenblick, als Samuel Koch, der 2010 ja bei „Wetten dass...“ verunglückt ist, mir erzählte, wie er mit seinem Rollstuhl auf einem Feldweg umgekippt ist und dann hilflos da lag. Was ihm durch den Kopf ging, wie ihn der Lebensmut verließ und er nichts tun konnte als auszuharren, ob jemand kommt. Man kann sich das ja nicht vorstellen, wie das ist, sich keinen Millimeter aus eigener Kraft bewegen zu können.
Haben sich auch schon mal Gesprächspartner vor Ihren Fragen gedrückt?
Fandel: Gregor Gysi, als es ihm zu sehr um seine Stasi-Vergangenheit ging. Da hat der einfach für fast 20 Minuten einen Monolog gehalten und keine Chance für Nachfragen gelassen. Und es hat auch lange gedauert, bis Kurt Beck einräumte, dass er eine Verantwortung beim Nürburgring-Skandal trägt. Beck ist da manches aus der Hand geglitten. Als er das eingestehen musste, wurde es mucksmäuschenstill im Saal.
Sie hatten 2015, dem Jahr vor der Landtagswahl, auch die beiden Kontrahentinnen Malu Dreyer und Julia Klöckner zu Gast – bewusst nicht gemeinsam, sondern nacheinander.
Fandel: Ich wollte keine Wahlkampfveranstaltung. Ich wollte beide als Mensch kennenlernen. Das war schon heikel vor der Wahl. Aber auch spannend.
Wen der beiden fanden Sie spannender?
Fandel: Ich sage es mal so: Ich finde Malu Dreyer etwas tiefgehender als Persönlichkeit und Julia Klöckner etwas lebendiger und aktiver in ihrer Außenwirkung.
Und wer kommt als Nächstes?
Fandel: Ich möchte unbedingt die ausgefallenen Termine mit Sky du Mont und Dieter Kürten nachholen. Und dann hatte ich ja auch noch keinen der großen Fußballer hier. Und auch sonst gibt es noch einige auf meiner Wunschliste.
Wie werden Sie die Reihe weiterentwickeln?
Fandel: Mein Wunsch ist es, neben den bekannten „Einblicken“ eine Reihe „Einblicke regional“ zu starten. Mit besonderen Menschen hier aus der Region. Menschen, die hier leben und arbeiten oder die aus unserer Heimat stammen. Damit wollte ich eigentlich schon zum „Zehnjährigen“ beginnen. Jetzt hoffe ich auf 2021. Es gibt so viele spannende und interessante Menschen in unserer Region. Ich fände es schön, mit ihnen in diesem Rahmen ins Gespräch zu kommen.
Was fehlt Ihnen während der Corona-Pandemie persönlich am meisten?
Fandel: Die menschliche Nähe. Der persönliche Kontakt zu anderen Menschen, auch solche Gesten wie, sich die Hände zu geben, fehlen mir. Und auch die Feste und Veranstaltungen, wo man sich spontan begegnet und ins Gespräch kommt.
Interview: Dagmar Dettmer