Herr Mertes aus dem Mehlental

Gondenbrett · Hanns-Georg Salm aus Gondenbrett hat einem Trierer Geistlichen und Pädagogen ein Buch gewidmet: Nikolaus Martini war ein Sohn der Gemeinde bei Prüm - und Lehrer von Karl Marx.

 Buch-Herausgeber Roland Meier, Ortsbürgermeister Klaus Nägel und Hanns-Georg Salm stehen vor dem Mertes-Haus mit dem Fassadengemälde. TV-Fotos (2): Fritz-Peter Linden

Buch-Herausgeber Roland Meier, Ortsbürgermeister Klaus Nägel und Hanns-Georg Salm stehen vor dem Mertes-Haus mit dem Fassadengemälde. TV-Fotos (2): Fritz-Peter Linden

Foto: (e_pruem )

Gondenbrett Alle reden, gerade jetzt wieder, von Karl Marx. Und über die Statue, die der Stadt Trier, zum 200. Geburtstag des Philosophen im Mai nächsten Jahres, von den Chinesen geschenkt wird.
Unterdessen hat der ehemalige Bundesbeamte Hanns-Georg Salm in Gondenbrett still und sorgfältig an einem etwas kleineren Denkmal gearbeitet: einem Buch, das soeben fertig wurde. Und es ist nicht Marx gewidmet, sondern einem Lehrer des Ur-Kommunisten: Er hieß Nikolaus Martini - und wurde vor 235 Jahren in dem Dorf im Mehlental geboren.
Was auch Hanns-Georg Salm zunächst nicht bekannt war, bis ihn sein inzwischen gestorbener Nachbar Alwin Weyandt auf die Geschichte gestoßen habe. Weyandt, erzählt der 79-Jährige, "wohnte in dem Haus, in dem Martini geboren wurde". Noch heute heißt es ("typisch Eifel", sagt Salm) "Mertes-Haus". Denn das war der ursprüngliche Name Martinis, bevor dieser ihn später latinisierte. Das Haus ist übrigens nicht zu übersehen, wenn man durch Gondenbrett kommt: Es steht in der Dorfmitte und trägt ein großes Fassadenbild des heiligen Christophorus, gemalt vom früheren Prümer Kunsterzieher Hermann Michels.
Nachbar Weyandt erzählte Salm auch, dass dieser Martini später in Trier Professor gewesen sei: an der (unter den Franzosen) "Ecole secondaire", die später (unter den Preußen) "Königliches Gymnasium" hieß und seit 1896 Friedrich-Wilhelm-Gymnasium.
Martini sei bei seiner Priesterweihe dem französischen Bischof von Trier, Charles Mannay, aufgefallen: Denn der Eifeler sei der einzige Neu-Priester gewesen, der sich mit dem Bischof in dessen Landessprache habe unterhalten können. Diese Fähigkeit verdankte Martini wiederum einem Geistlichen aus Gondenbrett: seinem "verehrten Lehrer und Mentor, dem Vikar Johann Jakob Klein", wie Martini in einem Brief schreibt, der im Buch zu finden ist. Der Vikar nämlich, sagt Salm, "hat mit dem Jungen immer französisch gesprochen". Und daher dachte der Bischof: guter Mann, den kann man brauchen. Weshalb er ihn dann auch bald zum Lehrer an die "école" berief und später, sagt Hanns-Georg Salm, "zum Leiter der Domschule machte".
Am Gymnasium erhielt von 1830 bis 1835 auch ein gewisser Karl Marx seinen allgemeinbildenden Schliff. Ob und wie damals Nikolaus Martini Einfluss auf Marx ausübte - es ist nicht bekannt. Immerhin zeigt ein im Buch abgebildeter Stundenplan, dass der junge Karl bei ihm in Latein, Griechisch, Theologie und Deutsch unterrichtet wurde. Eintrag vom November 1832: "Über den Stil, Übungen i. Erzählen, Beschreibungen, kleine Gedichte." Man vermutet: Da dürfte doch beim späteren Verfasser des "Kommunistischen Manifests", Zeitungsredakteur und Autor des "Kapital" einiges hängen geblieben sein.
Marx selbst, das bedauert Salm, habe sich weder zu Martini noch seiner Schulzeit überhaupt je geäußert. Er sei "ein vollkommen unauffälliges Schülerchen" gewesen, das "nie durch besondere Leistungen oder Frechheiten aufgefallen wäre". Die kamen dann später, als er längst nicht mehr in der Moselstadt lebte.
Genau genommen widmet sich Salms Werk allen Marx-Lehrern. Allerdings macht der Text über Martini rund 80 Prozent des Buches aus, und darin findet sich auch eine Passage, die etwas von Martinis Großzügigkeit verrät: Mitte des 19. Jahrhunderts nämlich vermachte dieser seiner Heimatgemeinde, nach langem Streit mit seinem Schwager, der selbst einen Besitzanspruch geltend machte, ein Grundstück - auf dem die Gondenbretter ihre Pfarrkirche bauten. Und so haben sie auch heute noch etwas von ihrem großen Sohn, von dem beinah niemand mehr etwas gewusst hätte - wäre nicht Alwin Weyandt gewesen und hätte er nicht Hanns-Georg Salm davon erzählt.
"Mein Nachbar war ein Engel", sagt der Autor. "Und ich wollte ihm immer mal was Gutes tun." Das Buch, das "den Ansprüchen des Historikers tunlichst aus dem Wege geht", sei nicht zuletzt zum Dank an Alwin Weyandt verfasst worden. Auch wenn dieser das nicht mehr erleben konnte. Hanns-Georg Salm: "Was hätte er sich gefreut."
Das Buch von Hanns-Georg Salm, "Die Lehrer von Karl Marx, insbesondere Nikolaus Mertes, latinisiert Martini". BoD, 110 Seiten, mit festem Einband und diversen Abbildungen. ISBN: 978-374317500. Das Buch kostet 24,90 Euro und ist im Handel erhältlich.Extra: DAS WAREN NOCH NACHRUFE

 Hanns-Georg Salm am Martini-Kreuz, das an den gebürtigen Gondenbretter erinnert. Im Hintergrund die Pfarrkirche: Nikolaus Martini schenkte der Gemeinde Mitte des 19. Jahrhunderts das Grundstück.

Hanns-Georg Salm am Martini-Kreuz, das an den gebürtigen Gondenbretter erinnert. Im Hintergrund die Pfarrkirche: Nikolaus Martini schenkte der Gemeinde Mitte des 19. Jahrhunderts das Grundstück.

Foto: (e_pruem )


Hanns-Georg Salms Buch enthält auch die Todesanzeige für Nikolaus Martini, die am Freitag, 18. April 1851, auf der letzten Seite der "Trier'schen Zeitung" erschien. Zitat: "Der Herr Professor Martini war, wie allgemein anerkannt ist, ein klarer, selbstschöpferischer Geist auf dem Gebiete der Wissenschaft und der freien Künste, ein geborener Dichter, der rheinische Horaz, ein tiefer Sprachkenner und gründlicher Forscher des classischen Alterthums, dabei voll männlicher Freimüthigkeit, Scharfsinn und seltener Energie." So etwas möchte man doch auch gern hinterhergerufen bekommen …

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