Historisches Filmmaterial entdeckt: Als Hitler plötzlich die Nase lief

Schleiden · Ein Sammler entdeckt einen Filmstreifen von Adolf Hitlers Besuch in Vogelsang im Nachlass eines Amateur-Filmers. Der 16-Millimeter-Schwarz-Weiß-Film vom 20. November 1936 zeigt Reichskanzler Hitler samt 800 Gauamtsleitern.

Schleiden. Es war am 20. November 1936, als Reichskanzler Adolf Hitler von 800 Gauamtsleitern auf der damaligen "Ordensburg Vogelsang" erwartet wurde. Anwesend war auch ein Schulungsleiter der Reichsschulungsburg der NSDAP Schloss Erwitte, der einem teuren Hobby frönte. Der Amateurfilmer hielt das für ihn äußerst denkwürdige Ereignis auf 16-Millimeter-Film fest. Der Mann hätte sich sicherlich nicht träumen lassen, dass sein Film über 75 Jahre später für Aufmerksamkeit sorgen sollte. Zumal der Streifen in einem unscheinbaren Pappkarton zunächst der Vergessenheit anheimgegeben schien.
Sechs Minuten Filmmaterial hielt der Mann von Hitlers Visite in Vogelsang fest. Wer will, kann einen Teil des historischen Materials jetzt im Rahmen der umfangreichen Zeit-DVD-Edition "Nahaufnahme" (99,95 Euro, acht DVDs) mit bisher nie veröffentlichten privaten Filmaufnahmen aus dem 20. Jahrhundert begutachten.
Kreis-Kulturreferent Klaus Ring wurde von der Veröffentlichung überrascht. Im Jahr 2014 soll in Vogelsang ein neues Ausstellungs- und Bildungszentrum die Besucher anlocken. Derzeit wird die Ausstellung dafür konzipiert. Für die Verantwortlichen ist schon jetzt klar, dass man dafür auch bewegte Bilder benötigen wird. Ring über den Film: "Das ist mit Sicherheit ein wichtiges Dokument." Man werde deshalb mit dem Entdecker und Filmsammler Joachim Castan Kontakt aufnehmen. Es sei sicherlich eine Option, eine Aufnahme dieses Materials in die Ausstellung zu erwägen.
"Wir sind auf der Suche nach weiterem Material und treten auch gerne mit Anbietern in Kontakt", sagt Ring. Wenn man sich heute die historischen Aufnahmen ansehe, könne man jede Menge Leute entdecken, die damals Kameras dabei hatten. "Ein Führer-Besuch war ein Medien-Ereignis, da waren auch viele private Schmalfilmer dabei", gibt er zu bedenken. Er sei deshalb überzeugt, dass noch so manches Material auf Speichern oder in Archiven schlummere.
Filme-Sammler Castan berichtet, er habe die Vogelsang-Bilder, die eine ausgezeichnete Bildqualität hätten, in einem Nachlass entdeckt, den er erworben hatte. Castan: "Der Film war in einem denkbar schlechten Zustand. Er war zum Teil mit normalem Pattex zusammengeklebt und wurde mit Büro-Heftklammern zusammengehalten." Damals sei die verwaltungstechnische Führungselite des Dritten Reichs in Vogelsang versammelt gewesen. Der 18-Minuten-Film besteht aus zwei Teilen. Zunächst sieht man verschiedene Aufnahmen vom Schulungslager der Deutschen Arbeitsfront von Schloss Erwitte, danach dann einen Ausflug zu den Externsteinen bei Detmold und schließlich - sechs Minuten lang - den Hitler-Besuch in Vogelsang.
Man sieht zunächst die Anlage von unten, danach bereiten sich die Parteifunktionäre auf die Ankunft des "Führers" vor. Anschließend stellt sich die Waffen-SS parademäßig auf. Schließlich kommt Hitler, nimmt die Aufstellung ab und fährt dann mit dem Mercedes von dannen.
Viele Einstellungen des Films seien ähnlich wie Wochenschau-Aufnahmen gestaltet. "Dass aber Adolf Hitler die Nase läuft und er sich diese wie ein ganz normaler Mensch putzen muss, wäre in einer Wochenschau völlig undenkbar gewesen", sagt Castan. Das hätte sich nicht mit dem Führergedanken vertragen.
Seit 1932 gab es für Film-Amateure in Nazideutschland die Möglichkeit, auf 8-Millimeter-Material zu drehen. Der nun aufgetauchte Film ist jedoch auf 16-Millimeter-Film aufgenommen und hat daher eine außergewöhnlich gute Qualität. Laut Joachim Castan kosteten zu dieser Zeit zehn Minuten 16-Millimeter-Schwarz-Weiß-Film 75 Reichsmark. "Damals lag der Durchschnittsverdienst bei 110 Reichsmark. Das war also wahnsinnig teuer", sagt Castan.pe
Wer entsprechende Filme findet, kann mit Kreis-Kulturreferent Klaus Ring in kontakt treten. E-Mail-Adresse klaus.ring@vogelsang-ip.de

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