Huckepack ins schnelle Netz

Jünkerath · Dank einer ungewöhnlichen Zusammenarbeit mit dem Energiekonzern RWE kann die Verbandsgemeinde (VG) Obere Kyll den Bürgern in sechs Dörfern wahrscheinlich bald schnelle Internetzugänge zur Verfügung stellen. Beispielhaft, fand die Deutsche Breitbandinitiative: Sie lud Bürgermeisterin Diane Schmitz deshalb nach Berlin ein.

Jünkerath. Gute Nachricht für die Bürger in sechs Ortsgemeinden des Oberen Kylltals: Sie können, sofern die Verhandlungen erfolgreich abgeschlossen werden, bald im Huckepackverfahren über Glasfaserkabel des Energieversorgers RWE mit schnelleren Internetleitungen ins weltweite Netz gelangen.
Das Prinzip: Die VG nutzt dabei das Breitbandnetz, das der Konzern derzeit an einigen Stellen verlegt - und zwar überall dort, wo Strom-Freileitungen zwischen einzelnen Dörfern künftig unterirdisch verlaufen. Bis Mitte 2012, so die Planung, sollen die neuen Anschlüsse vorliegen, und zwar in Birgel, Feusdorf, Gönnersdorf, Lissendorf, Reuth und Steffeln. Damit hätte der Daten-Notstand in sechs von neun unterversorgten Gemeinden der VG (von insgesamt 14) ein Ende.
Einen Wermutstropfen hat das Projekt allerdings: Bislang konnte für Kerschenbach, Ormont und Stadtkyll keine Lösung gefunden werden, die Verhandlungen laufen jedoch weiter. "Es ist natürlich mein Wunsch, dass wir für alle eine optimale Versorgung hinbekommen", sagt Bürgermeisterin Diane Schmitz.
Das Problem erläutert RWE-Regionalleiter Michael Dötsch, der auch vor falschen Hoffnungen in anderen Gemeinden warnt: "Es hängt stark davon ab, dass wir Synergien im Leitungsbau nutzen können." Das bedeute: Nur, wenn man ohnehin Gräben ziehe und Leitungen verlege, sei die Mitnutzung durch eine Kommune wirtschaftlich. Trotzdem hält auch er die Kooperation für ein lohnendes Ziel, an das man fest glaube.
Die neuartige Zusammenarbeit trug Diane Schmitz kürzlich eine Einladung nach Berlin ein - zu einer Podiumsdiskussion der Deutschen Breitbandinitiative, ausgerichtet von der gemeinnützigen Initiative D21, der bundesweit größten Partnerschaft zwischen Politik und Wirtschaft in Sachen Informationsgesellschaft. Die Initiative hatte das Projekt als wegweisendes Praxisbeispiel ausgewählt.
Und dort war die Bürgermeisterin einer kleinen, klammen und gefährdeten Verbandsgemeinde in der Eifel nach ihrer Präsentation eine gefragte Gesprächspartnerin: Viele hätten sich anschließend für diese Zusammenarbeit zwischen Kommune und Konzern interessiert, sagt Diane Schmitz, denn in dieser Form habe das Projekt bundesweit Modellcharakter.
Der Breitbandausbau wird dazu ohne Fördermittel verwirklicht - für einen einmaligen Beitrag von knapp 90 000 Euro, den die Kommune an den Energiekonzern zahlt. Die sechs Gemeinden auf herkömmlichem Weg anzuschließen, sagt Diane Schmitz, "hätte etwa 1,2 Millionen Euro gekostet". Die VG ließ sich vom Düsseldorfer Unternehmen Konext beraten, dafür zahlte sie 19.950 Euro, die allerdings zu 90 Prozent gefördert wurden. Die Daten-Übertragungsrate ist mit 50 Megabit in der Sekunde sehr hoch, sie ermöglicht schnelles Laden auch sehr großer Dateien, Filmbetrachtung und vieles mehr. Üblich sind bisher Raten zwischen 2 und 16 Megabit, an der Oberen Kyll liegen einige Gemeinden jedoch deutlich unter 2 Megabit. Dem Projekt ging eine Bedarfserhebung in den Dörfern der VG voraus (der TV berichtete). Im Anschluss erteilten die Ortsgemeinden der VG den Auftrag, eine gebündelte Ausschreibung einzuleiten und in ihrem Namen mit Anbietern zu verhandeln. Auch das erleichterte die Position der Kommune bei den Gesprächen mit RWE und dem zweiten Projektpartner Vodafone, die sich als günstigste Anbieter herausgestellt hatten.
Meinung

Anders denken, Freude schenken
Viel wird geschimpft über die kommunale Verwaltung, oft auch zu Recht. Und trotzdem gedeihen auch dort noch ungewöhnliche Ideen: Wenn man liest, wie Diane Schmitz und die Ortsgemeinden gemeinsam mit einem Energiekonzern an einer Lösung für den digitalen Notstand in einigen Dörfern arbeiten, dann muss man sagen: Respekt. Wenn alles hinhaut, bedeutet das: Bürger versorgt, Million gespart. Das darf Schule machen, auch wenn es nicht in jeder Gemeinde möglich sein wird. fp.linden@volksfreund.de

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