Porträt Mit 100 Jahren im Hier und Jetzt

Bitburg · Anny Steindorf wird an diesem Samstag 100 Jahre alt. Noch bis 2015 hat sie in ihrem Familienbetrieb mitgeholfen. Auch jetzt ist sie noch täglich dort und hält sich auf dem Laufenden.

 Anny Steindorf in der Gärtnerei Steindorf, die sie mit ihrem Mann aufgebaut, und die ihre Sohn später übernommen hat.

Anny Steindorf in der Gärtnerei Steindorf, die sie mit ihrem Mann aufgebaut, und die ihre Sohn später übernommen hat.

Foto: Christina Bents

Dass Anny Steindorf schon fast 100 Jahre alt ist, sieht man ihr wirklich nicht an. Auf Mitte oder Ende 70 würde man die Dame schätzen, die elegant gekleidet und Ruhe ausstrahlend in der Familiengärtnerei sitzt. Dabei hat sie ihr Leben lang viel gearbeitet, in dem Betrieb, den sie mit ihrem Mann 1947 eröffnet hat. Angefangen haben die beiden mit Gemüsepflanzen, Salat, Tomaten und etlichen Kohlpflanzen. Anny Steindorf sagt: „Damals haben die Menschen ja noch Sauerkraut selbst eingelegt.“

Das hat sich im Laufe der Jahre geändert. Der Anteil an Blumen hat sich stark erhöht, obwohl zunehmend jüngere Kunden wieder mehr gärtnern. Bis Anny Steindorf 95 Jahre alt war, hat sie aktiv in der Gärtnerei, die nach und nach gewachsen ist, mitgearbeitet, Adventskränze gebunden oder Tomaten ausgegeizt. Auch jetzt schaut sie noch jeden Tag rein in die Gärtnerei, die ihr Sohn Karl 1978 übernommen hat und der weiterhin in Familienhand ist. „Der Betrieb stand für mich immer an erster Stelle.“ Um das zu schaffen, brauchte es Disziplin und einen klar strukturierten Tagesablauf. Den hat Anny Steindorf bis heute. Jeden Tag um sieben Uhr klingelt ihr Wecker, Mittagsruhe ist zwischen 13 und 15 Uhr. Bis vor zwei Monaten hat sie noch selbst für sich gekocht und gewaschen.

Jetzt hat sie ein wenig Unterstützung. In der Gärtnerei war sie früher lieber als in der Küche. „Meine Schwester hat früher viel bei uns im Haushalt gemacht, ich war lieber draußen“, sagt die fast Hundertjährige, die eine Tochter, einen Sohn, vier Enkel und sieben Urenkel hat. Mindestens 20 bis 25 junge Menschen haben in der Gärtnerei ihre Ausbildung zum Gärtner oder Floristen gemacht.

Sie selbst mag übrigens weiße Chrysanthemen am liebsten. „Die dicken, weißen finde ich sehr schön. Früher, als wir angefangen haben, waren sie kindskopfgroß, mit der Zeit sind sie kleiner geworden, weil sie so unempfindlicher sind.“ Bei den Familien der Kunden kannte sie oft mehrere Generationen. „Da kamen schon die Großmütter, Kinder bis zu den Urenkeln.“

Trotz ihres Alters ist sie keineswegs rückwärtsgewandt. Sie lebt im Hier und Jetzt, schaut Fernsehen, liest die Zeitung und weiß Bescheid, was es in der Gärtnerei Neues gibt.

Rezepte oder Erklärungen, wie man ein solches Alter erreichen kann, hat sie nicht. „Da gibt es nichts Besonderes. Ich esse gern und gut, sehr gerne Gemüsesuppen, trinke keinen Alkohol und keinen Bohnenkaffee, sondern seit Jahrzehnten Caro-Getreidekaffee.“

Gerne erinnert sie sich an das Jahr 1937. Damals hat sie den Führerschein gemacht, und zu Weihnachten gab es ein Auto, einen DKW, den sie gemeinsam mit ihrer Schwester nutzte. „Es ging ja nicht anders, damals lebten wir noch in Gondorf, und ich arbeitete bei der Kreisverwaltung in Bitburg, das waren zehn Kilometer ein Weg, und schon damals fuhren kaum öffentliche Verkehrsmittel.“

Als sie mit 65 Jahren in Rente gegangen ist, hat sie verschiedene Reisen unternommen. Mit der Raiffeisenbank ist sie dreimal in Russland gewesen, am Nordkap, in Israel, Marokko und Amerika. Kreuzfahrten waren ebenfalls in ihrem Reiseprogramm.

Zu Hause hat sie zwanzig Jahre lang gekegelt. Ihre runden Geburtstage hat sie immer gefeiert, so soll es auch bei ihrem Hundertsten sein.

Wegen der momentanen Corona-Krise, von der Anny Steindorf sagt, dass sie sowas auch noch nicht erlebt hat, muss das aber noch ein wenig warten.

Aber für Anny Steindorf ist das kein Problem.

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