Im Rollstuhl durch Bitburg: Test auf Rädern

Bitburg · Bitburg sieht überraschend anders aus, wenn man im Rollstuhl sitzt. Diese Erfahrung hat unsere Redakteurin gemacht, die im Selbsttest herausfinden wollte, wie barrierefrei die Stadt ist. Das Ergebnis: Vieles ist möglich. Doch es gibt mehr Hindernisse als vermutet.

 TV-Redakteurin Katharina Hammermann hat Bitburg im Rollstuhl erkundet und ist dabei auf Hindernisse gestoßen: Viele Geschäfte in der Bitburger Fußgängerzone sind nur über Treppen erreichbar. TV-Foto: Klaus Kimmling

TV-Redakteurin Katharina Hammermann hat Bitburg im Rollstuhl erkundet und ist dabei auf Hindernisse gestoßen: Viele Geschäfte in der Bitburger Fußgängerzone sind nur über Treppen erreichbar. TV-Foto: Klaus Kimmling

Bitburg. Er ist 15, vielleicht 20 Zentimeter hoch und fällt normalerweise gar nicht auf. Völlig unbewusst würden Fußgänger über ihn hinweggehen. Ohne auf die Idee zu kommen, dass dieser ganz normale Bürgersteig ein Hindernis sein könnte. Doch für Rollstuhlfahrer sieht die Welt anders aus. Da kann auch ein Bordstein zur Barriere werden.
Eine Erfahrung, die ich nun selbst gemacht habe. Zusammen mit Marlies Raberg, der Seniorenbeauftragten der Stadt, und einer Kollegin, die bei Bedarf schieben kann, habe ich mich im Rollstuhl auf einen Stadtrundgang begeben.
Das Ziel: herausfinden, wie barrierefrei Bitburg ist. Und auch, wie gut die Stadt für eine Zukunft gerüstet ist, in der absehbar immer mehr Menschen altersbedingt auf Rollstühle oder Rollatoren angewiesen sein werden (siehe Extra).
Los geht\'s am Alten- und Pflegeheim in der Eifeler Straße, wo der Rollstuhl bereitsteht. Die Mission ist alltäglich: einkaufen, bummeln, zum Amt gehen und Post aufgeben. Erstes Ziel ist ein Supermarkt in der Gerichtsstraße. Während unter mir die Räder über das Pflaster rappeln, erzählt Marlies Raberg, dass Bitburg für Senioren vieles zu bieten hat: Freizeit-, Kultur- oder Weiterbildungsangebote, Ärzte, Apotheken und auch zunehmend mehr altersgerechten Wohnraum. Allerdings sei der oft zu teuer. Ein weiteres Manko sei der fehlende öffentliche Nahverkehr…
Und dann unterbricht der Weg das Gespräch: Der Rollstuhl gerät auf dem abschüssigen Bürgersteig ins Trudeln und muss gebremst werden, ehe er auf die Straße rollt. Kurz darauf geht es, rums, runter vom Trottoir rechts rein zum Supermarkt, der offenbar gerne von Menschen genutzt wird, die tatsächlich auf Räder angewiesen sind: Eine ältere Dame schiebt ihre Einkäufe im Rollator vor sich her, während Hans-Dieter Müller in seinem Rollstuhl vor dem Eingang sitzt und plaudert.
"Hab\' ich doch gleich geahnt, dass das nicht echt ist", sagt er zu mir, lacht und gibt bereitwillig Auskunft zum Alltag auf zwei Rädern. Ein Alltag mit Hindernissen.
In viele Bitburger Geschäfte, Cafés oder Restaurants komme man gar nicht erst rein. Und wenn doch, seien die Toiletten oft nur über Treppen erreichbar. Dank des Elektroantriebs habe er mit der Fußgängerzone kein Problem. "Aber mit dem Ding da können Sie das vergessen", sagt er und weist auf das Modell Spartakus, das ich für den TV-Test ausgeliehen habe. Ein weiteres Problem: Obwohl die Stadt die meisten Bürgersteige vor einigen Jahren überarbeitet hat, seien einige immer noch zu hoch.
Eine Aussage, die sich kurz nach dem Supermarkt-Check bewahrheitet. Abgesehen von der Tatsache, dass die Welt für Rollstuhlfahrer auf halber Regalhöhe endet, ist dort alles in Ordnung. Nicht so in der Gerichtsstraße. Aus eigener Kraft auf den hohen Bürgersteig zu kommen: unmöglich. Zumindest für so ungeübte Rollstuhlfahrer wie mich. Ohne Hilfe wäre es wohl über die Straße weitergegangen Richtung Fußgängerzone. Dass diese auf einem Hügel liegt, ist auch jedem Fußgänger klar. Doch im Rollstuhl wird sie ohne Hilfe zu einem Kraftakt. Und zu einer Überraschung: Hunderte Male gesehen - und nie bemerkt.
So viele Treppen! Anders als einige frisch sanierte Gebäude und die Post, die ich über eine großzügige Rampe problemlos errollen kann, sind viele Geschäfte, Cafés, Restaurants und selbst Eingänge zu Arzthaus oder Apotheke durch Stufen von der Hauptstraße getrennt. Ein eingeschränkter Einkaufsbummel. Amtsgänge hingegen sind dank des Seiteneingangs zum Bitburger Rathaus und eines Aufzugs kein Problem.
Direkt unterhalb des Rathauses liegt versteckt hinter Glascontainern eine von zwei öffentlichen Behindertentoiletten. Sie ist offen.
Sie ist sauber. Aber ohne Hilfe nicht erreichbar. Weder vorwärts noch rückwärts, noch mit "Anlauf" gelingt es mir hinzukommen: Denn auch hier versperrt ein Bordstein regelrecht den Weg.
Er ist 10, vielleicht 15 Zentimeter hoch und fällt normalerweise gar nicht auf.

Extra: Zahlen

Wie viele Rollstuhlfahrer es in Bitburg oder im Eifelkreis Bitburg-Prüm gibt, wird nicht erfasst. Die Zahl der Senioren hingegen schon: Von den 12 734 Menschen (Stand Dezember 2010), die in Bitburg leben, sind fast 20 Prozent (rund 2500) älter als 65. Und die Zahl der Senioren wird zunehmen: Einer Prognose des Statistischen Landesamtes werden 2020 schon 2783 Einwohner über 65 sein. kah

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