In 90 Minuten vom Baustamm zum Wildschwein

Bitburg-Erdorf · Michael Großmann ist Forstwirt - und Künstler: Am Samstag hat er für die Bürger in Bitburg-Erdorf aus einem Baumstamm ein Wildschwein geschnitzt - mit einer Motorsäge.

Ganz schön laut ist es an diesem Samstagmittag im Bitburger Stadtteil Erdorf. Die Motorsäge heult. "Sobald die an ist, kommen die Leute und wollen was sehen", erzählt Michael Großmann. Recht hat er: Die ersten Neugierigen haben sich am ehemaligen Wasserwerk in der Schulstraße versammelt. Noch steht auf dem Rasenstück nur ein einfacher Baumstumpf - aber in eineinhalb Stunden wird ihn Michael Großmann in ein Wildschwein verwandelt haben. Mit nichts als einer Motorsäge.
Während sich der Künstler, mit Schutzbrille und allem, was dazugehört, an die Arbeit macht, erzählt Jagdpächter Michael Jager, es seien zwar auch andere Tiere im Gespräch gewesen, aber ein Wildschwein passe "so gut zur Eifel". Jager stiftet das Werk der Gemeinde: "Das war eine ganz spontane Idee." Das freut auch Ortsvorsteher Werner Becker, der gemeinsam mit Jager die Sache ins Rollen gebracht hat. "Das ist toll", sagt er. "Wir sind dankbar."
Von Großmanns Werk zeigen sich die beiden Männer begeistert - auch wenn von ihrem zukünftigen Wildschwein noch kaum mehr als die Umrisse zu erkennen sind. Doch der Baumstamm nimmt schon bald die Form eines Tieres an, und die Sägespäne fliegen nur so durch die Luft. Trotzdem: Großmann arbeitet feiner als gedacht mit der vermeintlich groben Maschine.
Später erzählt er, er habe sich alles selbst beigebracht - zum Beispiel, dass das Holz eine andere Struktur bekomme, je nachdem, ob er es mit der rechten oder der linken Zahnseite bearbeite. Eigentlich ist Großmann seit seinem 14. Lebensjahr Forstwirt. Die Motorsägenkunst hat der 53-Jährige aus Oberkail vor etwa neun Jahren für sich entdeckt. Da bekam er drei mit der Kettensäge gefertigte Tannenbäumchen geschenkt - und dann, erzählt er, "hab ich gedacht: Jetzt bist du so lange Forstwirt und hast noch nie so etwas Schönes mit der Motorsäge ausprobiert." Also? "Hab ich\'s ausprobiert", sagt er. "Und es hat geklappt. Und seitdem bin ich am Schnitzen."
Als die Proportionen in etwa stimmen und das Wildschwein halbfertig auf dem Baumstumpf steht, macht sich Großmann an dessen Kopf zu schaffen. "Das ist das Wichtigste", sagt er. Im Anschluss bekommt das Tier sein Fell verpasst - eine Einkerbung nach der anderen. Und dann kommt das Feuer: "Damit das Holz gut hält, wird es geflammt", sagt Großmann. Zudem bearbeitet er das Material mit Graffittispray. "So kommen auch die Konturen besser raus." Dann schenkt er dem Schwein noch zwei Augen - und "so lassen wir\'s jetzt, oder?", fragt er in die Runde und erntet Applaus. Ganz fertig ist das Werk aber noch nicht: In etwa drei bis vier Wochen kommt Großmann nochmal, um eine Lasur aufzubringen und das Holz zu ölen.
Großmann legt die Säge weg. "Das hält fit", sagt er. "Ich brauche kein Fitnessstudio. Die Kettensäge ist meine Hantel." Abgesehen von Aufträgen wie diesem hier: "Wenn ich morgens aufstehe, weiß ich noch nicht, was ich schnitze." Aber lassen würde er es nicht mehr. "Das ist mittlerweile wie eine Sucht", sagt er und lacht. "Und einfach nur geil."

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