In Verschneid ist die Welt nicht zu Ende

AUW-VERSCHNEID. (js) Zugegeben, der Auwer Ortsteil Verschneid liegt etwas abseits. Auch lag er oft am Schnittpunkt geistlicher und weltlicher Herrschaften und wurde zwischen Belgien und Deutschland als "Objekt" gehandelt. Heute liegt Verschneid im Herzen einer grünen Lunge mitten in Europa.

Der 60 Einwohner zählende Ort mit dem Charakter eines Haufendorfes ist von Auw aus über die K 159 zu erreichen. Die einzige deutsche Straßenbrücke über die Our führt den Besucher in das geschlossene Dorf, das heute zur Ortsgemeinde Auw gehört. Mit Schnee hat der Ortsname Verschneid nichts zu tun, vielmehr erklärt er sich, so Heimatforscher Hans-Josef Schad, aus "Overschneeid". Der Chronist übersetzt diese Bezeichnung in Anlehnung an Landrat Bärsch mit "jenseitige Schneise". Nach historischen Quellen gehörte der Ort bis um 1600 zum Hof Manderscheid, kam aber dann zum Hof Auw. In Verschneid lag eine der Bannmühlen, zu der die Bauern verpflichtet waren. Verschneid ist das einzige deutsche Dorf auf der westlichen Seite der Grenzflüsse Our, Sauer und Obermosel, die die Grenze zu Belgien und Luxemburg bilden. Der Ort ist gleichsam eine "Insel": Von drei Seiten ist er von belgischem Staatsgebiet umgeben. Das Großherzogtum Luxemburg reicht an keiner Stelle auf das linke Ufer der Sauer oder der Obermosel. Anders dagegen an der Our: Hier greift Luxemburg einmal - allerdings unbedeutend - im Stadtgebiet von Vianden über die Our in die deutsche Eifel hinein. Zu Belgien ist die Lage wiederum ganz anders: Hier bildet die Our von Urb bis Hemmeres und von Stupbach bis Ouren nur in zwei Abschnitten die Grenze. An der oberen Our wölbt sich Belgien weit über den Fluss hinaus in die Schneifel: Krehwinkel, Afst und Weckerath liegen im belgischen Territorium links der Our. Weiter südlich gibt es die umgekehrte Situation: Hier reicht die deutsche Hoheit über den Fluss hinaus auf die rechte Flussseite. Genau hier hat Verschneid seinen reizvollen Platz, die Brücke in das Dorf ist die einzige zwischen Losheim und Nennig, die nicht ins westliche Ausland führt. Somit ist Verschneid ein Unikat - das einzige deutsche Dorf rechts von Our, Sauer und Obermosel. Weitere zwei Mal greift belgisches Staatsgebiet auf das linke Ourufer: von Wischeid bis Urb und von Hemmeres bis Stupbach. In diese beiden Schleifen sind die Ortschaften Schönberg, Amelscheid, Rödgen, Alfersteg, Auel und Steffeshausen eingebunden. Die Gründe für diese "Schleifengrenze" sind verschiedener Art. Zum einen handelt es sich bis zum Jahre 1920 um eine innerdeutsche Verwaltungsgrenze zwischen den Kreisen Prüm und Malmedy. Die deutsch-luxemburgische Grenze von Ouren bis Nennig war dagegen seit 1815 eine gewachsene Staatsgrenze. Hier hielt man sich strikt, außer in der Stadt Vianden, an den Flusslauf. An der oberen Our dagegen hatte die Verwaltung bei der Ziehung der Kreisgrenze die alte Zugehörigkeit und Abhängigkeit der Ortschaften berücksichtigt. So gehörten beispielsweise die Dörfer Auel und Steffeshausen stets zu Burg Reuland, weshalb sie zu dem Kreis St. Vith geschlagen wurden, der später mit Malmedy fusionierte. Verschneid war zunächst dem Hof Manderfeld zugeschlagen, wird nach 1600 aber zum Hof Auw gerechnet. Weckerath, Krehwinkel und Afst gehörten dagegen zum Hof Manderfeld. Nach Hans-Josef Schad muss es in diesem Bereich um 1600 eine Grenzkorrektur gegeben haben, vielleicht einen Tausch von Verschneid gegen Weckerath und Co. Nach 1815 wurde die ehemalige Kreis- und Bezirksgrenze zwischen Prüm und St. Vith zur neuen Staatsgrenze zwischen Deutschland und Belgien. Wenn auch Sie eine historische Anekdote kennen, den Namen eines Hauses oder einer Straße erklären können oder zu einem historischen Ereignis eine persönliche Geschichte zu erzählen haben, dann schreiben Sie unter dem Stichwort "Dorfgeschichten" mit Namen, Adresse und Telefonnummer an die E-Mail-Adresse eifel@volksfreund.de. Wichtig ist, dass Ihre Geschichte höchstens 2000 Anschläge umfasst.

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