In Wallersheim trägt man wieder Bart

Wallersheim · Wenn in und rund um Wallersheim den Männern Bärte wachsen, ist dies ein untrügliches Zeichen dafür, dass der Leidensweg Christi wieder gespielt wird. Dies ist nur alle fünf Jahre der Fall. Mehr als 100 Laiendarsteller bereiten sich zurzeit auf die sechsten Passionsspiele vor.

 Für ihre Rollen bei den Wallersheimer Passionsspielen lassen sich diese Männer Bärte wachsen. TV-Foto: Stefanie Glandien

Für ihre Rollen bei den Wallersheimer Passionsspielen lassen sich diese Männer Bärte wachsen. TV-Foto: Stefanie Glandien

Wallersheim. Bei minus zehn Grad hat so ein langer, dichter Bart seine Vorteile. Doch die gute Isolierung gegen Kälte ist nicht der Grund, warum seit Oktober in Wallersheim und Umgebung auffällig viele Männer mit Gesichtsbewuchs zu sehen sind.
Vielmehr ist zu vermuten, dass sich dahinter zu hoher Wahrscheinlichkeit ein Laiendarsteller verbirgt, der sich auf seine Rolle als Jünger, Jesus oder Hohepriester vorbereitet.
"Angeklebte Bärte gibt es bei uns nicht", sagt Hans Fomin, Leiter der Passionsspiele. Für ihn ist es wichtig, dass die Darsteller die Passion leben und ihren Auftritt ernst nehmen. "Den Bart nach außen zu tragen, ist ein Glaubensbekenntnis", sagt er.
Nicht nur die Barthaare werden länger. Von Probe zu Probe verwachsen auch die Laienspieler mit ihren Rollen. "Wenn wir untereinander sprechen, dann reden wir oft in der Sprache der Passion", sagt Bruno Morgens, der den Hohepriester spielt. "Wer seine Rolle nicht lebt, kann das nicht so richtig rüberbringen."
Seit Oktober laufen die Proben. Die drei Regisseure Klaus-Peter Pauls, Joachim Nitsch und Willi Schneider beäugen kritisch das Spiel der mehr als 100 Darsteller. Davon haben 70 Sprechrollen. Die Mehrheit davon sind bereits erfahrene Passionsspieler. 22 sind zum ersten Mal dabei. Einer davon ist Rainer Momix, der den Jünger Thomas spielt. "Meine Frau und ich wurden gefragt, ob wir nicht Lust hätten, eine Rolle zu übernehmen", erzählt der 29-Jährige. Nach einer Woche Bedenkzeit war für das Ehepaar klar: Wir spielen mit. Dem Koordinatenmesstechniker gefällt es, Mitglied der großen Gemeinschaft zu sein, die sich bei den Spielen engagiert.
Ebenfalls zum ersten Mal dabei ist Herbert Hermes aus Gerolstein. Theaterspielen ist eine Leidenschaft des 62-Jährigen. Neben seinem Part als Pharisäer Ammon spielt er noch bei zwei weiteren Theaterstücken in der Region mit. Doch die Rolle des Ammon ist eine besondere Herausforderung für ihn. "Der Text steht fest, da kann man wenig improvisieren. Und die Sprache ist anders als unsere heutige. Das ist dann manchmal schon ein bisschen schwer", sagt er. Theater spielt er schon von Kindesbeinen an. "In meiner ersten Rolle habe ich ein Eichhörnchen gespielt."
Der Passionstext stammt noch aus der Feder des verstorbenen Pfarrers Paul Kirsch, der diesen 1987 anlässlich seines silbernen Dienstjubiläums verfasste. "Der Text ist authentisch. Den kennen die Menschen aus der Bibel, und sie können sich damit gut identifizieren", sagt Fomin. Die Passionsspiele sollen auch nicht als Theaterstück verstanden werden. Weder Foto- noch Videoaufnahmen sind während der Aufführung erlaubt, auch applaudiert soll zwischendurch nicht werden. Was auf den ersten Blick streng wirkt, wird verständlich, wenn Hans Fomin erklärt: "Der Applaus stört die innere Haltung, die zu Beginn des Spiels aufgebaut wird. Wir machen deshalb auch keine Pause. Die Menschen sollen sich die Zeit nehmen zu verinnerlichen, was sie auf der Bühne sehen."
Der Erfolg der Passionsspiele, die einen guten Ruf über die Region hinaus genießen, gibt den Machern recht. 15 Vorstellungen sind angesetzt. Von Samstag, 23. Februar 2013, bis Karfreitag wird in der Pfarrkirche St. Nikolaus in Wallersheim gespielt. Karten (15 Euro für Erwachsene/zehn Euro für Kinder bis 15 Jahre) gibt es im Internet: www.passionsspiele-wallersheim.de oder unter Telefon 06558/9002888 (dienstags und freitags von 17 bis 19 Uhr, sonst Anrufbeantworter).Extra

Den Text für die Passionsspiele in Wallersheim hat der verstorbene Pfarrer Paul Kirsch geschrieben. Grundlage sind die vier Evangelien, aus denen zum Teil wörtlich zitiert wird. Laiendarsteller bringen dabei das Leiden und Sterben von Jesus Christus auf die Bühne. In der Pfarrkirche St. Nikolaus gibt es 350 Sitzplätze. In diesem Jahr wurden rund 20 000 Euro, finanziert durch Einnahmen und Sponsoren, in die Erweiterung der Bühne investiert. sn

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