Interview Norweger mit Eifeler (Holz-) Einschlag

Prüm · Winfried Schaal arbeitet an führender Position in einem skandinavischen Holzkonzern. Kein Wunder bei dem Familienerbe: Sein Urgroßvater Hubert war einer der Gründer des Waldbauvereins Prüm. Genau dort redet der Urenkel am Montag bei der Jahresversammlung – und sprach vorher mit dem TV.

 Ein Norweger aus Prüm: Winfried Schaal. Als Junge trug er in seiner Heimatstadt übrigens den TV aus.

Ein Norweger aus Prüm: Winfried Schaal. Als Junge trug er in seiner Heimatstadt übrigens den TV aus.

Foto: Moelven AG

Der älteste und mit 3500 Mitgliedern größte Verein privater Waldbesitzer im Land hat am Montag seine Jahresversammlung in der Karolingerhalle. Im öffentlichen Teil (10.30 Uhr) spricht dort ein Gast aus Norwegen: Winfried Schaal, Chef der Projektabteilung beim Holzbaukonzern Moelven in Oslo. Er lebt schon sehr lange dort – aber er stammt aus Prüm, wo er mit 13 Jahren auch den TV austrug. Holz war in seiner Familie immer ein Thema, wie er im Interview erzählt.

TV: Herr Schaal, Sie sind ein Prümer Junge, leben aber schon sehr lange in Norwegen – wie kam es dazu?

 Traumblick: In seiner Freizeit renoviert Winfried Schaal derzeit zehn Holzhäuser in der Telemark.

Traumblick: In seiner Freizeit renoviert Winfried Schaal derzeit zehn Holzhäuser in der Telemark.

Foto: Winfried Schaal

Winfried Schaal: Mitte der 80er war der Arbeitsmarkt sehr schwach in Deutschland. Ich war jung und wollte nach Lehre und Bundeswehr eigentlich auf die Holztechniker-Schule nach Hamburg. Sehr spontan entschloss ich mich Anfang 1986, ins Ausland zu gehen, vorerst nur ein Jahr. Der sehr enge Kontakt zu Familie Hosius und dem damaligen Prümer Forstdirektor Dieter Hosius brachte mich zum Thema Norwegen.

 Es gibt schlechtere Arbeitsorte: Winfried Schaal (rechts) mit Architekturstudenten in Bergen.

Es gibt schlechtere Arbeitsorte: Winfried Schaal (rechts) mit Architekturstudenten in Bergen.

Foto: Moelven AG

Dieter Hosius studierte in den 50er-Jahren Jahren Forstwirtschaft in Hannoversch Münden, zusammen mit vielen Norwegern. Dieser Kontakt gab mir den Anstoß auszuwandern.

Wie haben Sie das Land erlebt?

Alles passte in Norwegen: viel Arbeit mit Holz, super Landschaft, kaum Menschen – aber tolle Menschen. Ich war damals gerade 22 Jahre alt. Mit meiner norwegischen Frau bin ich heute fast 30 Jahre zusammen, wir haben vier große Kinder, zwei eigene und zwei Pflegekinder.

Ihr Urgroßvater Hubert war 1922 einer der Gründer und der erste Vorsitzende des Waldbauvereins Prüm. Waren Wald und Holz für Sie immer ein Thema?

Holz hat mich bereits als kleiner Junge fasziniert. In unserer Familie war Wald immer ein Bestandteil des Eigentums und der Arbeit. Meine Schwester und ich waren sehr früh zum Arbeiten mit den Eltern in unserem Wald in Orlenbach und Schlossheck. Ganz toll fanden wir den Eichen- und Buchenwald.

Die Vorfahren meines Vaters (er heißt ebenfalls Hubert) kamen aus Niederlauch, wo auch mein Uropa lebte. Es war ja damals mehr eine politische Entscheidung, den Waldbauverein Prüm zu gründen, da nach dem Ersten Weltkrieg politische Bestrebungen den Privatwaldbesitz bedrohten. Und Uropa Hubert Schaal hatte darüber direkte Informationen durch seine Arbeit bei der Landwirtschaftskammer in Bonn. Auch mein Vater hat neben viel lokalpolitischer Tätigkeit für Stadt und Kreis immer großes Engagement gezeigt, wenn’s um die Land- und Forstwirtschaft geht.

Und jetzt bestimmen Wald und Holz auch Ihr Berufsleben ...

Ich war praktisch mein ganzes Leben mit Holz in Kontakt. Anfangs über den Wald, dann in der Lehre zum Holzmechaniker bei Alfred Schmillen (ein toller Lehrmeister) später dann in Norwegen als Holzhausbauer, im Holztechnik-Studium in Hamburg, um ab 1994 dann in Norwegen in großen Holzkonzernen zu arbeiten. Ich war zehn Jahre lang Exportdirektor bei Norge Skog, damals weltweit tätig, hatte dann zehn Jahre lang meine eigene Firma im Holzhandel. Vor etwa zehn Jahren übernahm uns Moelven Industrie, wo ich heute die Projektabteilung leite. Toll ist die sehr selbstständige Tätigkeit mit den Architekten, die große Projekte aus unserem Holz entwerfen.

Was entsteht in Ihrer Abteilung?

Fast ausschließlich große, öffentliche Gebäude. Typische Projekte sind Schulen, Kindergärten, Altersheime, Museen, Schwimmhallen oder Flughäfen. Ich arbeite nebenbei auch häufig mit Künstlern, Architekturstudenten und Bauingenieuren.

Was macht Ihr Unternehmen alles?

Ich beschreibe es gerne so: Baut man ein typisches norwegisches Holzhaus, kann Moelven außer den Dachziegeln alles liefern – Leimholz, Konstruktionsholz, Außenverschalung, oberflächenbehandelte Innenpaneele, massive Fußböden und vieles mehr. Wir sind auch Hauptzulieferer für andere wichtige Industriezweige wie Holzfiber-Isolation, Fenster- und Türenproduzenten und Massivholz-Produzenten. Dann gibt es eigene Produktionen für Fertig- und Elementbau, hier werden zum Beispiel Altersheime, Studentenwohnheime oder Apartmentprojekte komplett vorgefertigt – in Modulen, um dann nur noch auf der Baustelle wie Legoklötze aufgestellt zu werden.

In unserer Ankündigung für die Waldbauernversammlung sagten Sie, Deutschland könne beim Holzbau noch mehr machen. Was zum Beispiel?

Ja, das ist vielleicht eine Aussage, die mir nicht zusteht, aber ich denke, die sehr strengen Auflagen, die man in Deutschland hat, haben ihren Hintergrund darin, dass Deutschland, wie die meisten westeuropäischen Länder, Beton und Stein als historische Baumaterialien hatte, während die kalten Länder wie Skandinavien, Island oder Kanada immer mit Holz gearbeitet haben.

Sie kritisieren unter anderem die Ihrer Ansicht nach übertriebenen Statikanforderungen.

Ein einfaches Beispiel wäre die Mengenberechnung für den Querschnitt eines Balkens: Der norwegische Balken hat 30 bis 40 Prozent weniger Volumen als der deutsche, ist aber ganz bestimmt mindestens so gut vom Statikwert.

Gesundheit, Nachhaltigkeit: Sind das Themen, mit denen sich Moelven befasst?

Das ist super interessant. Da ich viele Vorträge halte, vor allem an Universitäten, haben sich Holz und Gesundheit in Kombination mit Ökologie und Ökonomie mit den Jahren als wichtigster Faktor für unseren Konzernerfolg erwiesen. Studien zeigen eindeutig, dass unsere Sinne sehr positiv auf Holz reagieren, speziell im Innenbereich. Typische Beispiele sind Krankenhäuser, Schulen und Kindergärten, aber auch Gefängnisse und Sanatorien. Holz und besonders Nadelholz haben einen positiven Effekt auf unser vegetatives Nervensystem: Der Puls ist niedriger, man hat mehr Energie, weniger Aggressivität, besseren Schlaf. Patienten, die in natürlichen Räumen aus der Narkose erwachen, haben eine höhere Schmerzgrenze, Schulen mit Holzfassaden sind weniger Graffiti ausgesetzt.

Betrachtet man am Schluss noch das Gesamtkonzept „Wald-Holz-Energie“ auch als Co2-Einheit, gibt es wohl kaum ein Material, das auch nur annähernd solche Vorteile bringt.

Fast alle Norweger besitzen ein Eigenheim, kaum jemand mietet, die Häuser sind zu 95 Prozent in Holz gebaut. Also ein gesunder Markt für uns. Und vom jährlichen Zuwachs im Wald werden nur 40 Prozent geschlagen, die Nachhaltigkeit ist somit sehr gut.

Haben die norwegischen Wälder in den trockenen Sommern ähnlich gelitten wie die deutschen?

Nein, Käfer und Sturm sind ein sehr kleines Problem in Norwegen. Unsere Sommer – außer 2018 – sind leider sehr nass und die ansteigende Feuchtigkeit bereitet auch im Wald und natürlich im Holzbau Probleme. Man versucht hauptsächlich im Winter Forstarbeit zu betreiben.

Und obwohl Deutschland und Norwegen fast identisch viel Waldbestand haben, wächst in Norwegen im Vergleich nur ein Sechstel hin-zu. zu. Das sagt einiges über die enorme Qualität von Fichte und Kiefer in Skandinavien.

Am Montag kommen Sie zurück in Ihre Heimatstadt – wie viel Eifeler steckt eigentlich noch in Ihnen?

Ich habe immer noch einen großen Freundeskreis in der Eifel, bedingt auch durch die große Verwandtschaft. Es kommen auch ständig Prümer zu mir nach Norwegen, dann gibt’s ja noch Internet, also bleibt die Verbindung zur Eifel stark. Es würde mir nach so vielen Jahren schwerfallen, zurückzugehen. Aber ich brauche den Kontakt und besuche die Eifel und Prüm bestimmt zwei-, dreimal jährlich.

In seiner Freizeit renoviert Winfried Schaal übrigens, was wohl? – alte Holzhäuser in der Telemark. Und bittet uns zum Schluss noch darum, seinen Spitznamen zu erwähnen. Weil viele ihn sonst nicht wiedererkennen würden: Seit seinem zehnten Lebensjahr nämlich nenne ihn fast jeder „Chewy“ – weil er damals immer auf einem Kaugummi gekaut habe.

Erledigt – und danke, Chewy, fürs Gespräch!

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