Erinnerung an Johanna und Heinrich Nussbaum Der Weg nach Auschwitz war ihr letzter

Esch/Schifflange/Kyllburg/Alflen · Die Stolperstein-Verlegung am Freitag, 23. April, in Esch-Alzette erinnert auch an zwei gebürtige Eifeler. Es sind Johanna und Heinrich Nussbaum, deren Leben von den Nazis ausgelöscht wurden.

 Grüße von Marcel Nussbaum in einem Brief seiner Eltern an Onkel, Tante und Cousine, die sich in die Dominikanische Republik retten konnten. Der Wunsch des Neunjährigen „auf baldiges Wiedersehn“ erfüllte sich nicht. Drei Monate, nachdem er diese Zeilen verfasst hatte, endete sein Leben in den Gaskammern von Auschwitz.

Grüße von Marcel Nussbaum in einem Brief seiner Eltern an Onkel, Tante und Cousine, die sich in die Dominikanische Republik retten konnten. Der Wunsch des Neunjährigen „auf baldiges Wiedersehn“ erfüllte sich nicht. Drei Monate, nachdem er diese Zeilen verfasst hatte, endete sein Leben in den Gaskammern von Auschwitz.

Foto: tv/privat

„We need to pass the torch to the next generation“ („Wir müssen die Fackel an die nächste Generation weitergeben“) schreibt Sara Wolf in einer E-Mail. Sie wird eigens – zusammen mit ihrer 17-jährigen Tochter Elisheva – aus Israel nach Esch/Alzette (Luxemburg)  kommen.  Trotz aller coronabedingten Widrigkeiten. Denn dort und in Schifflange werden am Freitag  Stolpersteine verlegt.

Diese erinnern auch an ihre ermordeten Verwandten, das Ehepaar Johanna Nussbaum, geborene Schmitz, aus Alflen (heute Landkreis Cochem-Zell) und Heinrich Nussbaum aus Kyllburg (heute Eifelkreis Bitburg-Prüm).

Es ist eine traurige Erinnerung. Denn in den Familien Nussbaum und Schmitz hat der Nazi-Terror tiefe Wunden hinterlassen. Davon ahnte Heinrich Nussbaum Anfang 1928 nichts, als er mit 24 Jahren seinem Geburtsort Kyllburg den Rücken kehrte und ins Großherzogtum übersiedelte. Das war es nichts Besonderes. Denn  schon vor 100 Jahren fand ein reger Austausch zwischen der Südeifel und Luxemburg statt.

Als drittes von vier Kindern des Kaufmanns und Viehhändlers Hermann Nussbaum und seiner Ehefrau Helena Michel hatte Heinrich das Metzgerhandwerk erlernt. Nach kurzen Zwischenstationen in Mamar und Luxemburg-Stadt siedelte sich der junge Mann im September 1928 in Esch/Alzette an. Dort arbeitete und wohnte er bei seinem Cousin, dem Metzgermeister Vohs-Seckler, in der Otherstraße 48.

Zunächst nur als Metzgergeselle im Betrieb seines Vetters angestellt, übernahm Heinrich Nussbaum dessen Geschäft nach drei Jahren. Möglich wurde ihm dies durch die Heirat mit Johanna Schmitz im September 1931, die das notwendige Startkapital in Höhe von 15000 Franc mit in die Ehe einbrachte.

Die acht Jahre ältere Johanna Schmitz aus Alflen bei Ulmen war 1895 als viertes von elf Kindern des Metzgers Bernhard Schmitz und seiner Frau Caroline Wolff zur Welt gekommen. Wo Johanna ihren Mann kennengelernt hat, ist unklar. Bekannt ist nur, dass sie die letzten zehn Jahre vor ihrer Heirat bei ihren Eltern in Alflen lebte.

Johanna und Heinrich Nussbaum wohnten zunächst weiter in der Otherstraße 48, wo auch im November 1932 ihr gemeinsamer Sohn Marcel geboren wurde. In der Folge zog die junge Familie in die Kohlenstraße 43, die heutige Rue des Charbons. Die gemeinsam betriebene Metzgerei blieb in der Otherstraße.

Heinrich Nussbaum hatte zwar in der Zwischenzeit seine Prüfung als Metzgermeister abgelegt. Aber offensichtlich liefen die Geschäfte in der Folge nicht so gut. Schulden bei Lieferanten und dem Finanzamt waren die Folge.  Das geht aus den Unterlagen der Luxemburger Fremdenpolizei von 1938 hervor, bei denen die Nussbaums regelmäßig die Verlängerung ihrer Aufenthaltserlaubnis beantragen mussten. Für die Familie stand einiges auf dem Spiel: Fünf Jahre nach der Macht­übergabe an die Nationalsozialisten und wenige Monate vor der „Kristallnacht“ in Deutschland drohte ihr nichts weniger als die Ausweisung aus dem Großherzogtum.

In dieser Situation erklärte Heinrich Nussbaum gegenüber den luxemburgischen Behörden: „Ich bin deutscher Jude und habe all Interesse daran, ehrlich zu bleiben, damit ich hier im Lande, wo es mir übrigens sehr gut gefällt, bleiben kann.“ Der Familie Nussbaum wurde der weitere Aufenthalt in Luxemburg vorerst gestattet.

Die vermeintliche Ruhe währte nicht lange: Als Nazideutschland am 10. Mai 1940 Luxemburg überfiel und besetzte, wurden Johanna, Heinrich und Marcel Nussbaum – so wie der Großteil der Bevölkerung aus dem Süden Luxemburgs – nach Frankreich evakuiert. Zu diesem Zeitpunkt wohnten auch Adolf Schmitz, einer der Brüder von Johanna Nussbaum aus Alflen sowie dessen Frau Elsa samt ihrer gemeinsamen Tochter Helga  in der Escher Kohlenstraße. Sie hatten vor dem zunehmenden Terror der Nazis in der Eifel Zuflucht bei den Verwandten in Luxemburg gefunden.

Die Informationen über das weitere Schicksal der Familie sind lückenhaft. Während es Adolf Schmitz und seiner Familie gelang, über Frankreich, Nordafrika und die Dominikanische Republik in die USA zu flüchten, blieb Heinrich Nussbaum und seiner Familie dieses Glück verwehrt. Die drei lebten zunächst im Internierungslager Gurs in der Nähe der spanischen Grenze, später in Frespech im Departement Lot-et-Garonne, wo Heinrich Nussbaum in der Nähe als Landwirt arbeitete.

Das letzte Lebenszeichen von Johanna, Heinrich und Marcel Nussbaum sind ihre Namen auf der Transportliste des Zuges Nummer 30 von Drancy bei Paris nach Auschwitz am 9. September 1942. Der Zug mit 1000 Personen an Bord erreichte sein Ziel am 11. September 1942. Bis auf wenige Ausnahmen wurden alle Menschen unmittelbar nach ihrer Ankunft in den Gaskammern ermordet.

Heinrich Nussbaum teilte damit fast zeitgleich das Schicksal seines Vaters Hermann Nussbaum und dessen zweiter Ehefrau Sara aus Kyllburg, die ebenfalls im September 1942 in Treblinka ermordet wurden. An sie und drei weitere ermordete Geschwister von Herman Nussbaum erinnern seit November 2017 Stolpersteine in Kyllburg und Malberg (der TV berichtete).

Von den zehn Geschwistern von Johanna Schmitz starben vier vor 1934 eines natürlichen Todes. Fünf weitere wurden ebenfalls Mordopfer der Nazibarbarei. Lediglich Johannas Bruder Adolf Schmitz (1901 bis  1987) überlebte.

Dessen Enkelin ist Sara Wolf, die mit ihrer Tochter Elisheva am Freitag in  Esch/Alzette sein wird – um die Fackel  weiterzugeben und damit die Erinnerung wach zu halten.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort