Brauchtum Drittes Reich: Anzeige und Geldbuße für fleißigen Christen
Arzfeld · Weil Josef Juchmes aus Arzfeld in der Westeifel zu Fronleichnam 1938 eine Kirchenfahne aufhängte, erhielt er bald darauf einen Strafbefehl.
Der Landwirt und Weichensteller Josef Juchmes aus Arzfeld (heute Eifelkreis Bitburg-Prüm) war ein treuer und biederer, ein fleißiger und durchaus christlicher Mann. Mit seiner Frau Eva mühte er sich redlich, dem kargen Boden genügend Lebensmittel abzugewinnen, um die Familie zu ernähren. Nie hatte der Westeifeler sich etwas zu Schulden kommen lassen. Er war beliebt wegen seiner Freundlichkeit und Nachbarschaftshilfe. Und dennoch erhielt Juchmes eines Tages eine Anzeige und vom Staatsanwalt einen Strafbefehl, der ein Loch in sein mühsam Erspartes riss.
Und der Grund, warum es zu der Verurteilung kam, findet sich in den damaligen politischen Irrungen und Wirrungen der Nazi-Zeit. Hauptsächlich in den Gesetzen und Verordnungen von Hitlers Regierung, die sich gegen die christliche, besonders gegen die katholische Kirche richteten.
So erließ der Reichstag am 15. September 1935 das „Reichsflaggengesetz“, in dem verkündet wurde, dass als Nationalflagge nur mehr die Hakenkreuzfahne Gültigkeit hat. Näher erläutert und verschärft hat diesen Erlass die Zweite Verordnung vom 28. August 1937. In ihr wurde genau festgelegt, an welchen Tagen geflaggt werden musste. Auch enthalten: das Verbot, eine Kirchenflagge zu hissen sowie „bei kirchlichen Feiern können nur die Reichs- und Nationalflagge gezeigt werden.“ Bei Zuwiderhandlungen drohte Gefängnis oder eine Geldstrafe.
Und genau diese Erlasse ärgerten Josef Juchmes. Gegen sie sträubte sich sein religiöses Denken und Empfinden. Er war nicht willens, sich so mir nichts dir nichts damit abzufinden. Widerstand wurde wach. Er wolle allen zeigen, dass für ihn die katholische Kirchenfahne einen höheren Stellenwert besaß.
Dann kam der 16. Juni 1938. Ein Donnerstag. Fronleichnam – ein stolzes Fest für die Kirche und die Gemeinde Arzfeld. Prozessionsaltäre wurden aufgebaut, Blumenteppiche und Triumphbögen gestaltet. Glockengeläut lud ein zum Gottesdienst und der feierlichen Fronleichnamsprozession. Stark war die Beteiligung der Bevölkerung, die so ihre Treue zum Glauben und zur Kirche zum Ausdruck brachte. Aber unter der Schar der Prozessionsteilnehmer gab es auch Spitzel und Denunzianten, fanatische Hitleranhänger und Gegner der Kirche. Besonders der örtliche Pfarrer Ries, der allzu oft von der Kanzel gegen das Nazi-Regime wetterte, war ihnen ein Dorn im Auge. Und diese entdeckten dann zwischen all den Hakenkreuzbannern plötzlich eine gelb-weiße Fahne, die aus dem Fenster des Hauses Juchmes wehte – die „verhasste Kirchenfahne“.
Sofort nach der Fronleichnamsprozession haben Angehörige der SS die Fahne beschlagnahmt und eine Anzeige erstattet. Die 96-jährige Tochter Agnes Bormes, geborene Juchmes, erzählt noch heute von dem Ereignis und der großen Sorge der Mutter wegen der Folgen für die Familie.
Zur Verhandlung am Amtsgericht Waxweiler, an der Juchmes nicht teilzunehmen brauchte, kam es im November 1938. Er wurde beschuldigt, „entgegen den bestehenden Bestimmungen als Privatperson vorsätzlich ein Fenster seines Hauses mit einer Kirchenfahne geschmückt zu haben.“
Dieser Verstoß gegen das Reichsflaggengesetz war seinerzeit ein schlimmes Vergehen. So wurde Juchmes, der diese Tatsache nicht bestritt, sondern darauf hinwies, dass für ihn als Katholik dieses Treuebekenntnis zur Kirche bedeutsam war, zu 20 Reichsmark oder vier Tagen Haft verurteilt. Hinzu kamen noch 2,50 Reichsmark Gebühren. Viel Geld für den Kleinbauern Juchmes. Aber er zahlte Strafe und Gebühr. Voller Stolz.
Und seine innere Einstellung zu Hitler und seiner Regierung änderte sich nicht. Erst recht nicht, als er 1943 die traurige Mitteilung erhielt, dass sein ältester Sohn Nikolaus als 23-jähriger Soldat in Russland ums Leben gekommen war. Er hatte für ein Regime gekämpft, dem eine Kirchenfahne zuwider war.