"Juden unerwünscht"

PRÜM/BOLLENDORF/GEROLSTEIN/DAUN. (kth/utz) Während die Prümer kaum etwas von der so genannten "Reichskristallnacht" erfuhren, gab es in Bollendorf schwere Verwüstungen. Die Synagoge brannte völlig aus. Gewalt gab es auch gegen Mitglieder der jüdischen Gemeinde Gerolstein, zu der alle Juden im Kreis Daun gehörten.

Judendiskriminierung und -verfolgung hatte es in Prüm schon viele Jahre vor dem 9. November 1938 gegeben - das ist beim Geschichtsverein "Prümer Land" aktenkundig. Betroffen waren vor allem Händler und Kaufleute, die ihre Waren auf den Krammärkten in Stadtkyll, Hillesheim, Daun, Gerolstein, Speicher, Kyllburg und der Kreisstadt Prüm anboten. So wurden die polnischen Händler schwer belästigt, angepöbelt und bedroht. SA-Leute forderten die Kunden auf, nicht dort zu kaufen. Sie fotografierten die Stände, und Kunden, die der Aufforderung nicht folgten, wurden als Volksverräter gebrandmarkt. So sank die Zahl der jüdischen Händler in Prüm in kürzester Zeit auf Null. Die Gendarmerie und die Prümer Stadtpolizei sahen dem Treiben tatenlos zu. Die Kreisleitung der NSDAP hatte Vertrauensleute als Spitzel beauftragt, und der hauptsächlich aus Parteigenossen bestehende Prümer Stadtrat hatte die Trennung in "arische und nichtarische Verkaufsstände" schon vorher beschlossen. Allein der Prümer Stadtbürgermeister Albert Mangold verhielt sich zurückhaltend. In Bollendorf erinnern ein Gedenkstein auf dem Gelände der ehemaligen Synagoge und der jüdische Friedhof noch heute an die ehemalige jüdische Gemeinde. Mehr als 110 Juden haben hier nach Recherche von Paul Colljung noch in den 30er Jahren gelebt. Das waren zehn Prozent der Bevölkerung. Am Nachmittag des 9. November 1938 schwärmten SA-Männer aus, verwüsteten Geschäfte und Wohnhäuser und schikanierten die Juden. Die Synagoge setzten sie in Brand. Einige der Juden flüchteten direkt danach über die noch offene Grenze. 48 wurden deportiert. Sie kamen nie wieder nach Bollendorf zurück. Dem jüdischen Freund Unterschlupf gewährt

Ähnlich erging es vielen Gerolsteiner Juden. Die einst große Gerolsteiner jüdische Gemeinde, der 1933 noch 52 Mitglieder angehörten, war 1938 ohnehin schon auf elf zusammengeschmolzen. 1943 wurden die letzten noch in Gerolstein wohnenden Juden deportiert. Der Höhepunkt der Judendiskrimierung war der 9. November: Auswärtige SA-Kader, verstärkt durch eine Meute von Westwallarbeitern, verwüsteten jüdische Geschäfte und Häuser in Stadtkyll und Gerolstein. Einsatztruppen der SA aus Bitburg stürmten die Einrichtung des "Kölner Kaufhauses" in Gerolstein, das der jüdischen Familie Fritz Mansbach gehörte, und das Haus der Kaufmannsfamilie Nathan Levy. Sie zerstörten alles, was ihnen in die Hände fiel. Der Schock saß tief. Bis zum Auswanderungsverbot im September 1941 emigrierten mehr als 20 Juden aus Gerolstein, die meisten davon in die USA. Selbst nach der Verschärfung der Judenverfolgung haben sich viele Gerolsteiner Christen zu ihren jüdischen Freunden bekannt, schreibt Christoph Stehr in seiner Arbeit "Gerolstein und seine jüdischen Mitbürger". So hätten Bürger ihren jüdischen Nachbarn nachts Lebensmittelkarten unter der Tür durchgeschoben oder sie bei der Ausreise unterstützt. Offene Bekenntnisse zu den jüdischen Mitbürgern wie das des katholischen Schustermachers Böffgen habe es aber selten gegeben. Böffgen hatte trotz Strafandrohung seinem jüdischen Freund Moritz Levy bis zu dessen Deportation 1942 Unterschlupf gewährt. Levy starb in einem KZ, ebenso wie die dreiköpfige Familie Nathan Levy und die vierköpfige Familie Mansbach.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort