Konzert Landesjugendorchester demonstriert sein gebündeltes Talent in großer Besetzung

Prüm · Unter Leitung der Dirigentin Anna Rakitina und mit der Solistin Ioana Cristina Goicea glänzte das Landesjugendorchester  in Prüm.

Jugendorchester des Landes Rheinland-Pfalz tritt in Prüm auf
Foto: Nowakowski Vladi

Ein kühler Herbstabend folgt am Donnerstag auf das Sturmtief Ignatz, das den ganzen Tag über Deutschlands Westen hinweg­pfiff. Sie habe fast schon damit gerechnet, dass die Verantwortlichen des Landesjugendorchesters (LJO) die Reißleine ziehen und das Konzert absagen, sagt eine Besucherin. Doch die zwei Reisebusse mit den rund 60 jungen Musikerinnen und Musikern kommen pünktlich aus Neuwied nach Prüm. Schwierigkeiten habe es keine gegeben, heißt es von den Organisatoren. Ob der Sturm Auswirkungen auf die Anzahl der Konzertbesucher hat, lässt sich nur vermuten. Aber auf den Kirchenbänken der Basilika sitzen rund 150 Menschen. Vor zwei Jahren seien zum Konzert des LJO am gleichen Ort lediglich 50 Zuhörer erschienen.

Orkan­böen und herbstliche Temperaturen sind vergessen, als das Orchester die Plätze einnimmt: Zum ersten Mal seit Ausbruch der Pandemie spielt das LJO, das sich die Förderung musikalischen Nachwuchses auf die Fahnen geschrieben hat, in voller sinfonischer Besetzung. Und zum allerersten Mal seit der Gründung im Jahr 1973 steht am Pult – korrekt gesagt: am Dirigentinnenpult – eine Frau. Anna Rakitina hat bereits an anderer Stelle Geschichte geschrieben. Seit 2019 ist sie Assistenz­dirigentin beim Boston Symphony Orchestra in den USA und damit erst die zweite Frau auf dieser Position seit der Gründung dieses Orchesters 1881.

 Das Landesjugendorchester hat unter der musikalischen Leitung von Anna Rakitina in der Prümer Basillika St. Salvator gespielt. Als Gast wirkte die international gefeierte Violinistin Ioana Cristina Goicea mit.

Das Landesjugendorchester hat unter der musikalischen Leitung von Anna Rakitina in der Prümer Basillika St. Salvator gespielt. Als Gast wirkte die international gefeierte Violinistin Ioana Cristina Goicea mit.

Foto: Nowakowski Vladi

Die Liste der Auszeichnungen und Siege bei internationalen Wettbewerben der 1989 geborenen Dirigentin ist zu lang, um sie hier wiederzugeben. Und eine weitere Begabung ist beim Konzert in der Basilika zu sehen: Rakitina lächelt, und das gesamte, junge Orchester, das sich im Lauf des Abends an durchaus schwierigen Stoff heranwagt und ihn meistert, lächelt geschlossen zurück. Anders gesagt: Zwischen der musikalischen Leiterin und dem Ensemble funkt es gewaltig. Der Konzert­abend beginnt mit der „Manhattan Serenade“ des Filmkomponisten Louis Alter, die vielen als Titelmusik von „Tom & Jerry in Manhattan“ bekannt wurde. Alle Schwierigkeiten des Werks, das von Jazz-Elementen durchzogen ist und als Inbegriff amerikanischer Musik zu Anfang des 20. Jahrhunderts gilt, meistert das LJO mit Bravour. Das Publikum dankt ihm mit lang anhaltendem Applaus.

Jugendorchester des Landes Rheinland-Pfalz tritt in Prüm auf
Foto: Nowakowski Vladi

Dann folgt ein Ausflug ins 19. Jahrhundert: Das Violinkonzert e-moll von Felix Mendelssohn Bartholdy steht auf dem Programm. Und es wird spannend, denn die jungen Musiker erhalten professionelle Verstärkung. Mit Ioana Cristina Goicea betritt eine der derzeit herausragendsten Violinistinnen die Bühne. Auch hier ist die Liste der Ehrungen lang. Dass Goicea 2020 im Alter von 27 Jahren zur Professorin für Violine an der Universität für Musik und darstellende Künste in Wien ernannt wurde, sagt so einiges – wie auch ihre weltweiten Engagements. Die Erwartungen an sie enttäuscht die außer­gewöhnliche Künstlerin nicht, ihr Solospiel ist perfekt. Die Frage ist, ob das LJO in der Lage ist, Goicea durch das Violinkonzert e-moll musikalisch zu tragen. Schnelle Antwort: Ja, es klappt. Die besonders anspruchsvollen Passagen im Finalsatz gelingen mühelos, die Violinistin strahlt mit den Mitgliedern des Landesjugendorchesters um die Wette.

Nach der Pause erklingt Antonin Dvoraks berühmte Sinfonie mit dem Beinamen „Aus der Neuen Welt“. Der tschechische Musiker, damals bereits international gefeiert, hatte sie in den USA komponiert und ur­aufgeführt. Auch dieses Werk bietet das LJO sauber und konzentriert dar, ohne Fehler. Während des sehr leisen Largo müssen einige der jungen Musiker sichtlich gegen Husten­reiz ankämpfen, Rakitina lässt ihnen vor dem nachfolgenden Scherzo etwas Zeit, um sich zu sammeln. Und ­lächelt.

Schön zu sehen, wie gut die talentiertesten Nachwuchsmusiker des Landes bei der international renommierten Dirigentin aufgehoben sind, da herrscht Vertrauen auf beiden Seiten.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort