Kabarettist Urban Priol in Prüm Festzelt-Messias trifft auf pessimistische Kartoffeln

Prüm · In der ausverkauften Karolingerhalle in Prüm zeigt „der Mann, der schneller spottet, als sein Schatten denken kann“ drei Stunden lang politisches Kabarett in Höchstform. Die Botschaft des Abends: Aufgeben ist keine Option.

Kabarettist Urban Priol in Prüm: Festzelt-Messias trifft auf pessimistische Kartoffeln​
Foto: Nowakowski Vladi

Der Mann, Markenzeichen zerzaustes Resthaar, steht zwar scheinbar allein inmitten der spärlichen Bühnendekoration, spricht, säuselt, brüllt, lästert, dass es eine wahre Freude ist – hat aber die Gabe, sich von jetzt auf gleich in die Hauptdarsteller des absurden Theaters zu verwandeln, das allgemeinhin als Politik bezeichnet wird.

In Urban Priols aktuellem Programm „Im Fluss“ kommen sie alle zu Wort: Der Festzelt-Messias Hubsi Aiwanger und sein Gestammel anlässlich der Flugblatt-Affäre, Martin Huber, das „Generalsekret der CSU“, Christian Lindner, der gerne das Profil der längst abgefahrenen Reifen seiner FDP schärfen würde, oder Friedrich Merz, mit seiner von vorne bis hinten erfundenen Geschichte über Flüchtende, die Deutschen die Zahnarzt-Termine wegnehmen, der den Kabarettisten mächtig an Wilhelm Buschs Lehrer Lämpel erinnert. Priol ist ein begnadeter Parodist, nur an einem beißt er sich die Zähne aus, bekennt er: „Olaf Scholz ist unmöglich zu parodieren, dafür muss man Pantomime beherrschen.“

Doch als Ausgleich dafür bietet Bayerns Ministerpräsident Markus Söder fast täglich - und freiwillig - genügend Angriffsfläche. „Immer wenn du denkst, es geht nicht blöder, kommt ein Tweet von Markus Söder“, reimt Priol und erzählt von Söders Widerwillen, Energie aus dem Norden Deutschlands zu beziehen und stattdessen auf den irrationalen Plan zu setzen, eine Pipeline für Gas aus dem globalen Süden über Italien und die Alpen zu ziehen. „Wahrscheinlich wird das Gas dabei wie damals bei Hannibal mit Elefanten durch das Hochgebirge transportiert.“

Neben den weiteren üblichen Verdächtigen im politischen Tollhaus der Republik wie Sahra Wagenknecht („die Magnolie aus Stahl“), CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann („das Einstecktuch von Friedrich Merz“) oder Bundesverkehrsminister Volker Wissing („nach drei CSU-Granden auf diesem Posten kommt ein FDP-Politiker und macht es noch schlechter“), wird selbstverständlich auch die fleischgewordene Opferrolle, die AfD zum Ziel der verbalen Tortenwürfe des Kabarettisten: Alice Weidel, die aufgrund einer angeblichen Bedrohungslage einigen AfD-Veranstaltungen fernblieb, weil sie ihrer Erklärung nach an einem sicheren Ort versteckt gehalten werde, von der dummerweise aber Fotos existieren, die sie im fraglichen Zeitraum als Gast eines Straßencafés auf Mallorca zeigen. Und Tino Chrupalla, der bei einem Auftritt im bayerischen Wahlkampf unter Kopfschmerzen und Übelkeit litt, woraufhin seine Partei von einem Attentat schwadronierte. „Es wurde über eine Einstichstelle am rechten Oberarm geraunt“, erzählt Urban Priol. „War es eine linke Wespe, eine grüne Hornisse - oder hat sich Chrupalla etwa gegen Covid impfen lassen? Das wäre immerhin ein Grund, ein Attentat vorzutäuschen. Wie sollte er die Impfung je seinen Wählern erklären?“

Doch Priol spielt nicht nur, er will auch beißen. Der Germane, der Teutone an sich, also der oder die Kartoffel, der Typ Mensch, der panisch auf Veränderungen reagiert und der auf die Frage, ob das Glas halbvoll oder halbleer ist, antwortet, er hätte gar keins, der Typ, der reflexartig für jedes Problem andere verantwortlich macht und sich täglich ins Bockshorn jagen lässt: Auch diese träge Masse zerrt Priol ins Rampenlicht: „Die Mutter aller Dummen ist zwar immer schwanger, aber warum zum Teufel geben wir uns nicht einen Ruck und gehen die dringenden Anforderungen dieser Zeit endlich an?“

Die allermeisten der rund 450 Zuschauer des vom Geschichtsvereins Prümer Land organisierten Kabarettabends dürften sich nicht nur wunderbar amüsiert haben – die Botschaft nehmen sie mit nach Hause. Und dazu vielleicht auch die letzte Frage des Abends zum Thema Gendern: „Ist Möhre etwa die weibliche Form von Mohr?“ Man muss eben auch mal Priolitäten setzen.