Karolinger Kaiser in der Kutte: Neuer Blick auf Lothar

Prüm · Vermutlich kennt kaum jemand Leben und Bedeutung Kaiser Lothars besser als Maria Schäpers. Der Geschichtsverein Prümer Land hat die Historikerin deshalb zu einem Abend über den Mann eingeladen, dessen letzte Ruhestätte die Basilika ist. Den Rahmen bietet eine Ausstellung über den Kaiser und die Karolinger.

 Dieses Bildnis von Kaiser Lothar stammt aus einem Evangeliar aus Tours, das um das Jahr 850 entstand. Das Original befindet sich heute in der Bibliothèque nationale de France in Paris. Foto: privat

Dieses Bildnis von Kaiser Lothar stammt aus einem Evangeliar aus Tours, das um das Jahr 850 entstand. Das Original befindet sich heute in der Bibliothèque nationale de France in Paris. Foto: privat

Prüm. Was wissen wir über Kaiser Lothar? Nicht genug, so die Überzeugung der Historikerin Maria Schäpers. Sie befasst sich seit einigen Jahren mit dem Kaiser, der im September 855 als Mönch ins Kloster Prüm eintrat und dort wenige Tage später starb. Am Ende ihrer Forschung wird eine Doktorarbeit stehen, die im Lauf des Jahres abgeschlossen sein soll.
In Prüm - neben Speyer der einzigen rheinland-pfälzischen Stadt mit einem Kaisergrab - wird Maria Schäpers am Freitag, 19. April, auf Einladung des Geschichtsvereins von den Ergebnissen ihrer Forschung berichten und vor allem über neue Erkenntnisse zum Enkel Karls des Großen sprechen.
Warum Lothar? In der bisherigen Forschung gilt der älteste Sohn Ludwigs des Frommen nicht unbedingt als Lichtgestalt. Am Anfang, sagt Maria Schäpers, habe ihre Magisterarbeit über Lothars Vater Ludwig gestanden. Dabei habe sie festgestellt, dass bisher noch niemand eine umfassende, wissenschaftliche Biografie über Lothar geschrieben habe - anders als bei dessen Brüdern, Ludwig dem Deutschen und Karl dem Kahlen: "Schon allein die Frage nach der Entstehung Deutschlands und Frankreichs war früh ein ausschlaggebender Grund, das Interesse mehr auf sie als auf den Bruder zu legen, dessen Reich nicht von Bestand war."
Bruchstückhaftes Bild


So bleibe das Bild über Lothar bruchstückhaft. Immerhin: "Der Sammelband des Geschichtsvereins Prümer Land anlässlich Lothars 1150. Todesjahres 2005 konnte schon mehr Licht ins Dunkel bringen, doch mussten auch hier viele Aspekte ausgeklammert bleiben. Grund genug, sich in einer eigenen Studie Lothar zu widmen."
Besonders faszinierend, sagt Maria Schäpers, seien dabei die negativen Urteile praktisch aller Geschichtsforscher über den Kaiser gewesen: So war dessen Tod in der Mönchskutte für den Historiker Ernst Dümmler im Jahr 1887 "der klägliche Ausgang eines verfehlten Daseins". Auch andere Experten sahen ihn schlicht als Verlierer - den Karolinger, den man vernachlässigen konnte.
Ein Bild, dem sie zwar nicht unbedingt widerspricht, aber - vor allem die Prümer wird es freuen - "an manchen Stellen bin ich zu anderen Einschätzungen gelangt." Einen besonderen Blick verdiene dabei das Jahr 817, als in der ordinatio imperii die Nachfolge Ludwigs des Frommen geregelt werden sollte: Damals wurde Lothar ein Großteil des Reiches zugesprochen und seine Oberherrschaft über seine Brüder festgelegt. Dazu aber kam es nicht. Maria Schäpers: "Das Reich, das er bei der Teilung von Verdun 843 erhielt, war kleiner als das, was ihm 817 zugesprochen worden war." Insofern dürfe er als Verlierer gelten, zumal die Brüder ihn ohnehin nicht als "Oberkaiser" anerkannten.
Dennoch kommt Maria Schäpers zu einem milderen Urteil: Denn die Herrschaft in Lothars Mittelreich sei weitestgehend eine friedliche gewesen, zumal ihm etwas gelungen sei, das unter Karolingern nicht gerade selbstverständlich war: Im Gegensatz zu seinen Brüdern nämlich habe er "die eigenen Söhne unter Kontrolle gehalten. Mit seinem Sohn Ludwig hatte er sogar eine verlässliche Stütze in Italien."
Zwar sei ihm die Oberherrschaft über das Frankenreich und seine Brüder nicht vergönnt gewesen. Allerdings habe er sich besonders am Ende seines Lebens darum bemüht, alles zu tun, um sich sozusagen den Himmel zu verdienen: "Sein Sterben in der Mönchskutte", sagt Maria Schäpers, "war keineswegs der ,klägliche Ausgang‘ seines Lebens, sondern ein Teil dieser Bemühung."
Mehr dazu wird Maria Schäpers in ihrem Vortrag darlegen und dabei auch Lothars Beziehungen zu Prüm und dessen Klostereintritt näher beleuchten.
Beginn ist am Freitag, 19. April, 19.30 Uhr, in der Kapelle des Konvikts; der Eintritt ist frei.Extra

Maria Schäpers (Foto: privat) stammt aus der - natürlich - Kaiserstadt Aachen, sie studierte in Bonn Geschichte, historische Hilfswissenschaften und Anglistik. Zurzeit arbeitet die Historikerin an ihrer Dissertation mit dem Thema "Lothar I. - Untersuchungen zum Frankenreich zwischen 795 und 855". Zusätzlich zum Vortrag von Maria Schäpers bietet der Geschichtsverein im Foyer des Konvikts eine Ausstellung zu den Karolingern und zu Lothar. fpl

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