Keine Kinder, keine Zukunft

BITBURG/PRÜM/WAXWEILER. Eine "Herausforderung für die Kommunen" nannte Ministerialdirigent Rudolf Oster vom Mainzer Innenministerium den sich abzeichnenden Bevölkerungsrückgang.

Ein modernes Bürgerhaus, gefüllt mit fast allen Orts- und Verbandsgemeinde-Bürgermeistern des Kreises Bitburg-Prüm, am Rednerpult ein älterer Herr, der nonstop einen zweistündigen Vortrag hält - und alle hören gebannt zu, die ganzen 120 Minuten lang. Am Ende war so viel gesagt, dass Landrat Roger Graef auf seine eigene angekündigte Rede verzichtete und nur eine einzige Frage aus dem Publikum kam: "Sind die Prognosen gesichert?"Weniger Menschen, höhere Kosten

Sie sind es. Allerdings war es nicht die Faszination eines positiven Zukunftsgemäldes, die für so viel Aufmerksamkeit sorgte, sondern die mit viel Engagement vorgetragenen Daten und Fakten waren regelrecht "morbide", wie es einer der Teilnehmer formulierte, und für die versammelten Ortsbürgermeister aus dem Kreis Bitburg-Prüm schockierend. Die Rechnung ist simpel: Wenn sich an der derzeitigen Geburtenrate von durchschnittlich 1,4 Kinder pro Familie in Deutschland - Zuwanderer schon eingerechnet - nichts ändert, wird im Jahr 2050 aus dem 82-Millionen-Volk ein 59-Millionen-Völkchen geworden sein, und dieser Rest wird in der Mehrheit aus Senioren bestehen. Der Anteil der potenziell Erwerbstätigen wird von 55 auf 45 Prozent sinken.Ministerialdirigent Rudolf Oster vom Mainzer Innenministerium mahnte an, dass die damit verbundenen Probleme schon heute bedacht werden müssen und keinesfalls vor der Öffentlichkeit verschwiegen werden dürften. In dünn besiedelten Landstrichen wie der Eifel zeichne sich ab, dass die Infrastruktur vielfach nicht mehr aufrecht erhalten werden könne, angefangen von Kindergärten bis hin zum Straßennetz. Konkrete Beispiele: In Dorfgemeinschaftshäusern wird es weniger Tauf-, Hochzeits- oder Kommunionfeiern geben, dafür aber mehr Beerdigungen, für die weniger Gebühren erhoben werden, was die Finanzierung der Dorfmittelpunkte schwieriger macht. Oder das weniger genutzte Wasserversorgungsnetz wird durch die Minderbeanspruchung anfälliger für Keime, die teuer chemisch bekämpft werden müssen. Das in Schulen, Schwimmbädern, Krankenhäusern und ähnlichen Einrichtungen gebundene Kapital sei derweil nicht rückbaubar, die Kosten für die Aufrechterhaltung blieben, sofern man die Einrichtungen nicht einfach schließe. Wie das finanziert werden soll, stehe in den Sternen. "Es ist wie ein voraussehbarer Infarkt", schildert Kreispressesprecher Rudolf Müller den Zustand des Patienten, "aber wir müssen jetzt vorbeugende Maßnahmen ergreifen, und die beginnen mit der Bewusstmachung der Fakten." Derzeit sei die Einwohnerzahl des Kreises bei rund 96 000 stabil, und mit einer Geburtenrate von 1,5 Kindern sei man noch relativ gut dran.Für Patrick Schnieder, VG-Bügermeister von Arzfeld, ist klar, dass eine Umkehr des Prozesses Generationen dauern dürfte. "Was wir jetzt tun können, ist das Hinterfragen der Notwendigkeit von Neubaugebieten oder etwa die Einrichtung einer Regionalen Schule. Wir müssen die Dorfläden reaktivieren, um die älter werdende Bevölkerung zu versorgen, zugleich wird Mobilität noch bedeutsamer." Offen reden und die Infrastruktur "nah" zu gestalten sei wichtig. In Metterich, so Ortsbürgermeister Rainer Wirtz, seien die erwarteten Auswirkungen nicht ganz so bedrohlich. Mit der Dorferneuerung sei der Ortskern lebendig geblieben: "Wir werden wohl den Status Quo halten können." Wirtz hofft sogar, dass die Einwohnerzahl leicht steigt - dank der Nähe zu Bitburg. Auch grenznahe Orte wie Nusbaum hätten durch die die Nähe zu Luxemburg eine Sogwirkung, die Perspektiven biete. Wirtz: "Die Konkurrenz der Regionen und Kommunen wird zunehmen, daher ist es wichtig, die Infrastruktur zu halten, um attraktiv zu bleiben."

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