Kinder kopfüber in Kloschüssel gehalten? - Staatsanwaltschaft erhebt Anklage gegen zwei Erzieherinnen einer Eifeler Jugendhilfe-Einrichtung

Trier/Daleiden · Es sind heftige Vorwürfe, die die Trierer Staatsanwaltschaft gegen Mitarbeiter eines Heimes in Daleiden (Eifelkreis Bitburg-Prüm) erhebt. Sie sollen mehrere Kinder genötigt haben, auch von Körperverletzung ist die Rede. Misshandelt und gequält im juristischen Sinne wurden die Kinder aber nicht.

Sie sollen dort zumindest vorübergehend eine neue Familie finden. Sie sollen die Fürsorge und Zuneigung erhalten, die sie, aus welchen Grünen auch immer, zu Hause nicht bekommen. Doch was einige die in einer Wohngruppe der Jugendhilfe Eifel in Daleiden untergebrachten Pflegekinder nach Ermittlungen der Trierer Staatsanwaltschaft haben über sich ergehen lassen müssen, das hat nichts mit Zuneigung zu tun. Der Leitende Oberstaatsanwaltschaft Peter Fritzen spricht von "unangemessenen erzieherischen Maßnahmen" und von Nötigung und Körperverletzung durch Mitarbeiter der Einrichtung. Und das, was er nach über einem Jahr Ermittlungen zusammengetragen hat, das sind erschütternde Vorwürfe.

Zwei Kinder sollen an Armen und Beinen gegriffen, mit dem Kopf in die Toilettenschüssel gehalten und dann soll die Spülung betätigt worden sein, weil eines der Kinder zu laut und die anderen eine Wasserschlacht veranstaltet haben sollen.

Ein Junge musste angeblich im unbewohnten, nicht renovierten Nebentrakt der Einrichtung in Daleiden einem Zimmer auf einer Matratze auf den Boden übernachten und sollte nur Brot und Wasser als Nahrung erhalten, und das weil er eine Erzieherin provoziert und beleidigt haben soll. Eine andere Erzieherin hat ihn heimlich mit Essen versorgt.

Weil es sich respektlos verhalten und sich der Hausmeister darüber geärgert haben soll, soll der Mann ein Kind ergriffen haben und gewaltsam am Boden fixiert haben.

Ins Rollen gebracht worden sind die Ermittlungen durch eine Strafanzeige des Landesjugendamts vor einem Jahr, nachdem der TV erstmals über die angebliche Missstände in der Wohngruppe in Daleiden berichtet hat. Der Vorwurf damals hat gelautet: Misshandlung von Schutzbefohlenen.

Doch dafür, so Fritzen, hätten sich keine Hinweise gefunden. Die Kinder in der Wohngruppe seien nicht systematisch gequält oder misshandelt worden, letztlich handele sich um Einzelfälle, sagt der Leitende Oberstaatsanwalt. Einzelfälle, die sollten sie sich bestätigen, vermutlich nicht folgenlos für die Kinder sind. Aber im juristischen Sinne keine Misshandlung darstellen.

Je länger die Ermittlungen dauerten und je mehr Zeugen befragt worden sind, auf desto mehr solcher Einzelfälle ist die Staatsanwaltschaft gestoßen. Und die Ermittlungen sind immer noch nicht abgeschlossen.

Derzeit würde noch gegen drei Mitarbeiter der Jugendhilfe Eifel, die nach eigenem Bekunden weiter Einrichtungen in Luxemburg, Belgien, Nordrhein-Westfalen, Thüringen und der Türkei betreibt, ermittelt, sagt Fritzen. Gegen eine Mitarbeiterin besteht der Verdacht, dass sie eines in Daleiden untergebrachtes Kind geschlagen haben soll.

Eine Ex-Mitarbeiterin wie auch der Geschäftsführer der Jugendhilfe sollen Kinder angewiesen haben, in dem unbewohnten Nebengebäude zu übernachten. Bislang habe sich allerdings in diesen Fällen kein hinreichender Tatverdacht für ein strafbares Verhalten erheben, teilt Fritzen mit.

Anders als die Fälle, in denen Kinder mit dem Kopf in die Toilettenschüssel gehalten worden sind. Deswegen hat die Staatsanwaltschaft zwei ehemalige Mitarbeiterinnen, 26 und 29 Jahre alt, wegen Nötigung beim Amtsgericht Prüm angeklagt. Eine jugendliche Heimbewohnerin, die an Aktion beteiligt gewesen sein soll, ist nach dem Jugendstrafrecht zu eine erzieherischen Maßnahme verpflichtet worden. Gegen zwei Mitarbeiter, 39 und 51 Jahre alt, hat die Staatsanwaltschaft Strafbefehle wegen Körperverletzung und Nötigung beantragt. Sie sollen Geldstrafen in Höhe von 700 und 2400 Euro zahlen. Die Ermittlungen gegen zwei weitere Mitarbeiter sind eingestellt worden.

Die Jugendhilfe Eifel hat sich auf TV-Anfrage nicht zu den Ermittlungsergebnissen der Staatsanwaltschaft geäußert. Jugendhilfe Eifel

Das für die Aufsicht von Kinder- und Jugendheimen zuständige Landesjugendamt hat der Jugendhilfe Eifel bereits kurz nach Bekanntwerden der Vorwürfe der Wohngruppe in Daleiden die Betriebserlaubnis entzogen. Zuvor hatten die Jugendämter der Region alle dort betreuten Kinder aus der Gruppe genommen und in anderen Einrichtungen untergebracht. Bis zu zwölf Kinder sollen in Daleiden betreut worden sein.

Die Jugendhilfe Eifel gibt es seit 2012. Die gemeinnützige Gesellschaft bietet nach eigenen Angaben in etwa 30 Orten der Region Betreuungen in einem familiären Umfeld an.

Zuletzt hieß es, die Jugendhilfe habe 82 Mitarbeiter und biete 110 Plätze für Kinder und Jugendliche. wie/sey

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Misshandlungs-Vorwürfe: Ermittlungen gegen Betreuer einer Eifeler Jugendhilfe-Einrichtung dauern an

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