Kriesgende Kindheit zwischen Bomben und Neuanfang

Seffern · Peter Mulbach aus Seffern hat seine Erinnerungen an das Kriegsende aufgeschrieben.

 Peter Mulbach aus Seffern und seine Kameraden liefen bei Fliegeralarm mit gepacktem Schultornister  in den Wengert, wo alte Steinbrüche waren und wo sie unter Steinhölen Unterschlupf fanden. Foto: Peter Mulbach

Peter Mulbach aus Seffern und seine Kameraden liefen bei Fliegeralarm mit gepacktem Schultornister in den Wengert, wo alte Steinbrüche waren und wo sie unter Steinhölen Unterschlupf fanden. Foto: Peter Mulbach

Foto: tv/Mulbach

Die Erinnerungen, die Peter Mulbach aus Seffern niedergeschrieben hat, beginnen  am 16. Februar 1945, als das Haus seiner Familie ausgebombt wurde. Mulbach war damals sieben Jahre alt: „Meine erste Erinnerung ist, dass in unserem Haus deutsche Soldaten einquartiert waren. Ich wurde 1944 im Herbst eingeschult. Mein erster Schulgang dauerte vier Tage, dann war Schluss. Am 16. Februar 1945 sahen wir ein feindliches Flugzeug mehrere Male einen Anlauf nehmen in unser Nimstal. Meine Schwester Elschen und ich spielten draußen im Sand. Unsere Mutter rief uns zurück ins Haus, als es schon krachte. Wir waren in den Stall am Haus gelaufen und unterm Heu verschüttet. Mein Großvater hatte als einziger eine größere Kopfwunde, er wurde ins Lazarett nach Nattenheim gebracht. Wir hatten als Haushilfe ein Mädchen aus Russland, die jedoch schneller war als wir. Sie lief in den Keller, der nur von draußen zu begehen war. Sie hieß Katja, und hat es leider nicht überlebt, da genau diese Hälfte des Hauses total zerstört war. Da wir nun kein Dach mehr überm Kopf hatten, konnten wir bei meinen Großeltern (Eltern meiner Mutter) eineinhalb Schlafzimmer benutzen. Nur mit einem Einzelbett, ich mit meinem Großvater und die Mutter mit meiner Schwester. In dem kleinen Bauernhaus lebten wir mit insgesamt zwölf Personen. Von nun an ging alles sehr schnell, bis die Amerikaner einrückten. Tagelang immer wieder Fliegeralarm, wir liefen dann mit gepacktem Schultornister etwa zwei Kilometer in den Wengert, wo alte Steinbrüche waren, und wir dort Unterschlupf fanden. Als dann ein größerer Rückzug der deutschen Soldaten Richtung Kyllburg war, und der Beschuss immer stärker wurde, liefen wir in den Keller der Familie Heinz in der Dorfmitte Neckelen Dom, wo wir dann wieder einen Volltreffer bekamen. Soldaten und Dorfbewohner gruben uns dort aus.

An einen Flugzeugabsturz kann ich mich noch erinnern, ein amerikanischer Bomber wurde über Seffern abgeschossen, man meinte, der ganze Himmel über Seffern sei voll Fallschirmen. Die überlebenden amerikanischen Soldaten wurden in die Scheune von Kassenkrest gebracht, wo diese von einigen Nazis, die es auch bei uns gab, beschimpft wurden. Sobald aber die deutschen Feldjäger kamen, hatten die Nazis nichts mehr zu sagen, und sie wurden abtransportiert. Dann dauerte es nicht mehr lange, bis die Amerikaner kamen und wir mit ein paar Kleinigkeiten alle aus dem Haus und in der Schalzmühle einige Tage bleiben mussten. Nach einigen Tagen konnten wir wieder zurück in unser provisorisches Zuhause. Dort sah es auch wie nach einem Bombenangriff aus, alles lag auf dem Boden, sämtliche Bilder zerstreut. Wir wurden aber in Ruhe gelassen, wir bekamen unseren ersten Bürgermeister nach dem Krieg (Pastor Gerlach) und langsam normalisierte sich das Leben im Dorf. Ich half meinem Onkel in der Landwirtschaft, bis mein Vater Weihnachten 1947 aus russischer Gefangenschaft nachhause kam. Ich kannte meinen Vater nicht mehr wieder, denn er war auf unter 50 Kilogramm abgemagert. Das Leben war bestimmt für viele nicht leicht, aber ich habe auch viele schöne Erinnerungen an diese Zeit. Vieles wäre noch zu sagen in den folgenden Jahren, aber der wichtigste Tag in dieser Zeit war wohl der 8. Mai 1945. Es war Kriegsende und eine neue Zeit begann. Auch für mich, denn ich lernte ein junges Mädchen 1960 in Arzfeld kennen. Wir beide heirateten 1962, und zwar am 8. Mai. Welch ein Zufall. Und welch ein Glück, wir sind heute noch zusammen.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort