Klausur in der hohen Eifel

Dahlem · Wo einst die Nazis eine Musterschäferei betrieben, sind vor 60 Jahren Nonnen aus den Niederlanden eingezogen. Am nächsten Montag feiern sie ihr Jubiläum mit einem Gottesdienst.

Dahlem. Von wegen, der Rest ist Schweigen. Auch wenn Schwester Gratia dem Kloster Maria Frieden der Trappistinnen strengerer Observanz als Äbtissin vorsteht, ist sie eine Frau, die eine fröhliche Ausstrahlung hat und dem TV-Mitarbeiter alles andere als schweigend gegenübersitzt. "Humor ist wichtig", sagt sie. Denn das Zusammenleben in der Gemeinschaft sei nicht immer einfach. Außerdem bedeute das Wort "Evangelium" doch frohe Botschaft. Seit 60 Jahren leben die Nonnen auf der Dahlemer Binz in Klausur, abgeschottet von der Außenwelt. Dort, wo die Eifel besonders einsam ist. Eigentlich wäre das Jubiläum am 8. Dezember, Mariä Empfängnis, doch da der Tag in diesem Jahr auf einen Sonntag fällt, wird das Fest auf den Montag verschoben. Und es wird gefeiert.
Denn für die Eifel war es ein großes Ereignis, als am 8. Dezember vor 60 Jahren der Autobus aus den Niederlanden eintraf und die ersten Nonnen ausstiegen. Schwester Dominica war eine von ihnen. Und sie ist die letzte der Gründungsmitglieder, die noch am Leben ist und über diesen Tag berichten kann. "Es war kalt, aber schön", erinnert sich die 89-Jährige, die aus Brabant stammt. Mit einem Festgottesdienst wurden sie in Dahlem empfangen. Damals sah es auf dem Gelände auf der Dahlemer Binz noch ganz anders aus. Seit den Zeiten des Naziregimes hatte sich noch nicht viel geändert. Die damaligen Machthaber hatten eine Musterschäferei eingerichtet. Doch das Areal wurde auch für Feste und wüste Zusammenkünfte genutzt. Nach dem Krieg dienten die Gebäude als Jugendherberge. Es war die Idee des Abtes von Mariawald, dort ein Frauenkloster anzusiedeln. Die Nonnen, die das Kloster gründen sollten, kamen aus der niederländischen Abtei Kooningsort.
Im Jahr 1952 kam die erste Vorhut. Vier Nonnen wurden, wie die Klosterchronik erzählt, begeistert in Dahlem empfangen. Die Anfänge in Maria Frieden waren dann ernüchternder. Schlafstätten waren vorbereitet. Doch am ersten Morgen fiel auf, dass Möglichkeiten fehlten, sich zu waschen. Die Eifeler hatten zu Beginn noch Probleme, die Bedeutung des Wortes "Klausur" zu verstehen. Immer wieder standen Nachbarn unvermutet in der Küche, bereit zu einem Schwätzchen. "Es sollte ein Akt der Versöhnung sein", erinnert sich Schwester Dominica an die Anfänge. So kurz nach dem Krieg in das ehemalige Feindesland? Die rüstige Senioren widerspricht entrüstet: "Die Deutschen waren doch nie Feinde, das war doch nur Hitler!" Die Räumlichkeiten von einer Nazi-Einrichtung in ein Haus Gottes zu verwandeln, war eine bewusste Entscheidung gewesen. Ein Symbol dafür ist die von den einstigen Machthabern hinterlassene "Thingstätte", die die allerersten Schwestern mit einer Mutter-Gottes-Statue einfach umwidmeten. Mit Langhaus, Kirche und dem Gästehaus wurde die Anlage erweitert und den Bedürfnissen eines Klosters angepasst. Bis zu 40 Nonnen lebten einst hier, jetzt sind es noch 20. In Priesterkreisen sind sie bekannt dafür, dass sie mit großer Sorgfalt schöne Messgewänder herstellen. "Wir können den Aufträgen kaum noch nachkommen", gesteht Schwester Gratia mit heimlicher Freude. Doch wie so viele Orden sehen auch die Dahlemer Trappistinnen angesichts fehlender Neueintritte mit Sorge in die Zukunft. "Wir beten viel für Nachwuchs", verrät die Äbtissin. sev
Extra

Die Nonnen in Maria Frieden gehören zu den Trappisten. Sie leben im Dahlemer Kloster in Klausur. Für Besuche und Gespräche gibt es besondere Sprechzimmer, in denen die Gesprächspartner durch eine Wand mit einem großen Durchlass getrennt sind. Rund vier Stunden verbringen die Schwestern jeden Tag in der Kirche. Die Schwestern leben streng vegetarisch. Bekannt ist der Kräuterlikör, der dort erzeugt wird. Über die aktuellen Ereignisse informieren sie sich über die Tageszeitung. Radio und Fernsehen lehnen sie ab. Ansonsten verfügt das Kloster über Internetzugang, der von den Nonnen genutzt werden kann. sev

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