Kreuzweg, Katastrophe, Krater

PRÜM. Kaum eine Erhebung in der Eifel kann eine so bewegte und bewegende Geschichte erzählen wie der Prümer Kalvarienberg. Unglück, Leid, Hoffnung und Zuversicht liegen an diesem Punkt nahe beieinander.

An der Nordflanke der Prümer Kalkmulde erhebt sich die Anhöhe vom Prümtal aus in westliche Richtung bis auf eine Höhe von 570 Metern. Im Jahre 1136 schenkte Abt Albero dem Marienstift dieses Waldgebiet namens "Calebule". Seither ist der Name "Kalleberg" auch urkundlich nachgewiesen. Den Namen "Kalvarienberg" erhielt der Gipfel von dem Kreuzweg, der seit dem 17. Jahrhundert aus dem Prümtal auf die Höhe hinaufführt. Der Kreuzweg ging über 14 Stationen zur Kalvarienbergkapelle, dem End- und Gipfelpunkt des Stationsweges. Georg Bärsch, preußischer Landrat in Prüm, würdigte einst diese Stätte als "Zierde der gesamten Gegend". Für die Prümer Menschen bedeuteten Kapelle und Berg stets mehr als nur ein Waldgebiet mit herrlichem Panoramablick. Durch Wallfahrt und Gebet, Spaziergänge waren die Bewohner diesem Ort stets eng verbunden. Trotz der mächtigen Basilika waren die Kapelle und ihr Standort ein begehrtes Ausgehziel, immer geliebt und emotional angenommen. Die enge Verbundenheit der Einwohner zum Kalvarienberg lässt sich auch in der allzeit großen Spendenbereitschaft festmachen. Freiwillige Arbeiten wie Handwerks- und Fuhrdienste belegen die Liebe zu dieser "heiligen Stätte". Matthias Mathony, Prümer Heimatschriftsteller, bringt die enge Verbundenheit so zum Ausdruck: "Über zweieinhalb Jahrhunderte bot das Kirchlein, das die Prümer Mönche erbauten, auf einsamer Höhe den Unbilden des Wetters und den Stürmen der Zeit Trotz. Auch den Hitlerkrieg überstand es, und den Prümer Heimkehrern, die 1945 aus der Fremde zurückkehrten, bot es am weit entlegenen Horizont der Heimat ersten Gruß." Doch lagen auch - zumindest zeitweise - Furcht und Schrecken auf diesem Berg. Nach dem Krieg war die Abteistadt zu 80 Prozent zerstört, mühsam begann der Wiederaufbau. Mitten in diese Phase hinein platzte der "schwarze Freitag": Am 15. Juli 1949 explodierte das Sprengstofflager in einem Stollensystem des Berges. Zehn Jahre zuvor wurden diese Stollen im Inneren des Berges angelegt, das gesamte Kalvarienberg-Areal wurde Sperrgebiet. Die französische Besatzungsmacht nutzte diese Anlage ab 1947 zur Lagerung von Sprengstoffen, um die Westwallbunker zu zerstören. Über die Ereignisse vom 15. Juli 1949 gibt es eine Reihe von Veröffentlichungen. Zwölf Menschen fanden den Tod, 600 Bewohner wurden obdachlos und der Nordteil der Stadt völlig zerstört. In seiner Sonderausgabe titelte der Trierische Volksfreund am 16. Juli 1949: "Prüm, loderndes Fanal der Grenzlandnot" und "Aufblühender Stadtteil wurde in Minuten zu einer Kraterlandschaft". Bis in unsere Tage ist die Bedeutung des Kalvarienbergs für die Stadt Prüm und das Prümer Land groß. In diesem "Hausberg" steckt alles, was ein Menschenleben erfahren kann: Leid und Tod, Freude und Hoffnung. Auch der Wiederaufbau der zerstörten Kalvarienbergkapelle ist ein Zeugnis für die besondere Verbundenheit. Der Kalvarienberg-Verein kümmert sich um dieses Kleinod. Für Einheimische und Besucher ist der Kalvarienberg bis heute ein "emotionaler" Ort - würdig, beschaulich und schön. Vielleicht auch dem Himmel ein bisschen näher als irgendein anderer Berg.

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