Landtag, Stall und Rolling Stones

KASCHENBACH. Seit 1996 ist Michael Billen Abgeordneter der CDU im rheinland-pfälzischen Landtag. Als Mitglied im Kompetenzteam von Spitzenkandidat Christoph Böhr könnte er demnächst vor höheren Weihen stehen.

Die zehn Zentimeter dicke Tischplatte in der Kaschenbacher Wohnstube könnte durchaus als Symbol für seine Robustheit stehen. Irgendwie nämlich passt das zentnerschwere Möbelstück zu Michael Billen (50), dem kantigen Politiker vom Lande, der sich zum dritten Mal anschickt, für die CDU das Direktmandat im Wahlkreis 21 zu sichern. Und wenn er an besagter Tischplatte die Kaffeetasse in die Hände nimmt, mit denen er nach eigener Schätzung inzwischen rund eine Million Strohballen getragen hat, wundert's nicht, dass das Trinkgefäß trotz angemessenen Umfangs plötzlich nur noch ziemlich armselig daherkommt. Um den heimischen Landwirtschaftsbetrieb in Kaschenbach kümmern sich derweil schon längst die Söhne Arno und Matthias, Bruder Johannes und dessen Sohn Niko. Sie schmeißen den Betrieb mit den 110 Milchkühen, die pro Jahr rund eine Million Liter Milch erzeugen. Außerdem kümmern sie sich um das Getreide, die im Ausbau befindliche Schnapsbrennerei und um die Biogasanlage, der ganze Stolz von Sohn Arno. Doch trotz all der politischen Verpflichtungen packt Michael Billen immer noch mit an. Die Frage, wann er denn zuletzt was auf dem Bauernhof getan habe, beantwortet er zumindest ziemlich flott: "Gestern und vorgestern habe ich zusammen mit meiner Frau die Kühe gemolken. Und überhaupt. Wenn es irgendwie geht, bin ich einmal pro Woche im Stall", stellt Billen klar. Der Multifunktionär "frisst gerne Bücher"

Aus dem Landwirtschaftsmeister Michael Billen ist indes seit etlichen Jahren der politische Multifunktionär Billen geworden. Nicht nur Mitglied im Landtag ist er, auch den Stellvertreterposten des Landrats hat er inne, den Vorsitz im Ausschuss für Landwirtschaft und Weinbau in Mainz, den Bezirksvorsitz der CDU und so weiter. Und wenn man ihn nun befragt, was denn im Falle eines Wahlsieges auf ihn zukomme, wo er es doch inzwischen bis ins Böhrsche Kompetenzteam hinein geschafft habe, wird Billen wieder ganz Politiker: "Das Kompetenzteam ist keine Zuordnung für Ministerposten; hier geht es zunächst und ausschließlich um Kompetenz." Was ihn selbst angehe, so sei sein Spezialgebiet nun mal der ländliche Raum. Schluss, aus, basta. Mehr verrät er nicht, obwohl die Spatzen das Lied vom Landwirtschaftsminister schon längst von allen Dächern pfeifen. Für den Fall, dass Michael Billen nach dem 26. März tatsächlich höhere Weihen erwarten, wird er wohl auch bei den wenigen Hobbys kürzer treten müssen. Ob er es mit seiner 1500er Honda Goldwing dann noch pro Jahr auf 10 000 Kilometer bringt, ist ebenso fraglich wie das Pflegen einer Freizeitbeschäftigung, die man bei Billen nicht zwingend vermutet: dem Lesen. Zuletzt habe er Dan Browns "Sakrileg", immerhin ein 600-Seiten-Wälzer, in zweieinhalb Tagen verschlungen, erzählt Michael Billen. "Ich fresse Bücher", erklärt er mit einem Bass in der Stimme, mit dem sich mühelos Polit-Thriller vertonen ließen. Und während sich Michael Billen zudem noch als Jacques-Berndorf-Fan outet, von dem er alle Krimis gelesen habe, kann man ihm - trotz Mozart-Jahrs - mit klassischer Musik nicht kommen. Da hält er es doch eher mit den Beatles, den Rolling Stones und dem dezenten Hinweis auf seine Jugend, die auch ihm weiland schulterlanges Haar beschert habe. Den Wahlabend wird Politiker Billen übrigens wieder in Mainz verbringen, damit er den Journalisten vor Ort das Ergebnis "erklären" kann. Zweifel an einem Sieg seiner Partei hat er natürlich nicht. Wie oft er in dem Fall allerdings seine Kühe noch sehen würde, bleibt derweil offen.

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