Leben unter dem Regenbogen: Erster schwul-lesbischer Stammtisch in der Eifel

Stadtkyll/Schleiden · Auch in der Eifel leben Schwule und Lesben – oft im Verborgenen. Nach einem schwulenfeindlichen Angriff haben nun zwei Männer die Initiative ergriffen und unter dem Namen Eifelperlen in Schleiden einen regelmäßigen schwul-lesbischen Stammtisch ins Leben gerufen. Auch für die rheinland-pfälzische Eifel könnte das Projekt Vorbildcharakter haben.

Schwule, Lesben, Bisexuelle und Transgender (Menschen deren empfundenes Geschlecht nicht ihrem biologischen entspricht) kämpfen seit vielen Jahren um Anerkennung und Gleichberechtigung.

Seit 1993 ist das schwul-lesbische Zentrum Schmit-Z in Trier eine der ersten Anlaufstellen in der weiteren Region. 20 Jahre kämpft der Verein schon mit konsequenter Aufklärungsarbeit für ein Klima der Akzeptanz, Toleranz und Vielfalt - durchaus erfolgreich. Mit dem Café im Schmit-Z sowie in verschiedenen schwul-lesbischen Lokalen gibt es in der Moselmetropole überraschend viele Ausgehmöglichkeiten

Die Nordeifel hingegen ist noch immer ein schwarzer Fleck auf der rosa Landkarte - wohlgemerkt: noch. In der nordrhein-westfälischen Eifelstadt Schleiden ist nun nämlich ein schwul-lesbischer Stammtisch gegründet worden. Am Dienstag, 4. Februar, trifft sich die offene Gruppe mit dem Namen Eifelperlen erstmals in der Gaststätte Neue Rentei. Schwule und Lesben im rheinland-pfälzischen Teil der Eifel verfolgen aufmerksam die Neugründung, könnte die Initiative doch Vorbildcharakter haben.

"Ich wüsste nicht, dass es etwas Ähnliches bei uns in der Gegend gibt", sagt der Stadtkyller Künstler Max Ströder. Es lebten viele Schwule und Lesben in der Region, meist blieben sie aber anonym: "Treffpunkte wie Stammtische gibt es bisher einfach nicht." Die Initiative sei sehr zu begrüßen. "Ich und mein Partner haben hier zwar nie Probleme gehabt, aber auch ich konnte es mir vor meinem Coming-out eher nicht vorstellen, hier offen schwul zu leben", sagt er.

Lange habe er seine sexuelle Orientierung unter Verschluss gehalten, dabei interessiere es heute wirklich - zumindest in der Öffentlichkeit - niemanden. Ein Stammtisch könne gerade für jüngere Eifeler eine ersehnte Anlaufstelle sein, hofft er. Der Termin sei ja im Grunde sehr passend gelegt: "Das Thema ist durch Thomas Hitzlspergers Coming-out ja gerade sehr präsent".

Tatsächlich seien es Jugendliche und junge Erwachsene, die von solchen Angeboten profitierten, erklärt Alex Rollinger, Vorsitzender des Trierer Schmit-Z. Gestandene ältere Paare, die sich bewusst für ein ländliches Leben entscheiden, hätten oft einen guten Stand in der Ortsgemeinschaft. "Ganz anders sieht es aus, wenn man hier groß wird", sagt Rollinger. Auch ihm sei kein vergleichbares Engagement in der Eifel bekannt.

Ins Leben gerufen wurde der Schleidener Stammtisch von Timucin Babayigit und seinem Lebenspartner Ignacio Mendez. Vor etwas mehr als anderthalb Jahren zogen sie in die Eifel. In Schleiden betreiben sie einen Friseursalon.

Im vergangenen Jahr gerieten die Männer unfreiwillig ins öffentliche Interesse, als ein Nachbar sie als Schwuchteln beschimpfte und ihnen riet, in das Loch zurückzukriechen, aus dem sie gekommen seien. Babayigit und Mendez, obwohl zunächst geschockt von der homophoben Attacke, taten das einzig Richtige - sie erstatteten Anzeige. Der Mann wurde von einem Gericht mittlerweile zu einer Geldstrafe von 900 Euro verurteilt.

Eine Welle der Solidarität mit dem Paar schwappte durch Schleiden. In Anrufen und Briefen sprachen Bürger ihnen ihre Unterstützung aus. Politiker beeilten sich, ihre Solidarität mit den beiden Neubürgern zu bekunden. Auf Tagungen und Kongressen setzen sich Babayigit und Mendez seitdem für mehr Toleranz in ihrer Wahlheimat ein. Das vorläufige Finale ist nun die Gründung des Stammtisches.

Homosexuelles Leben spiele in der Region bisher keine Rolle, erklären die Initiatoren zur Stammtischgründung. "Es existieren keine besonderen Freizeitmöglichkeiten für uns, geschweige denn Beratungsangebote oder vergleichbare Anlaufstellen", sagt Mendez. Ein Zustand, gegen den die neue Gruppe nun arbeiten will.
"Bisher werden wir als ‚Satelliten' im Universum Eifel wahrgenommen - wir sind aber der Meinung, dass wir durchaus schon längst geerdet sind und es Zeit ist, unsere Kräfte zu bündeln", erklärt Mendez weiter. Homosexuelles Leben sei keine Ausnahme in der Eifel, sondern Alltag.

Eifelperlen, der erste Stammtisch für Schwule, Lesben, Bisexuelle und Transgender sowie ihre Freunde, beginnt am Dienstag, 4. Februar, um 19.30 Uhr in der Gaststätte Neue Rentei, Am Markt. Die offene Runde trifft sich an jedem ersten Dienstag im Monat. Weitere Informationen im sozialen Netzwerk Facebook in der Gruppe Eifelperlen.
Meinung

Wir sind hier, wir gehören dazuEin schwuler Ex-Außenminister, ein schwuler Hauptstadtbürgermeister, eine höchst anerkannte lesbische Fernsehjournalistin und lesbische Tatortkommissarinnen könnten den Eindruck erwecken, dass nichtheterosexuelles Leben in Deutschland in der Mitte der Gesellschaft angekommen ist - ein Trugschluss. Zwar wächst die Toleranz, bis zur Akzeptanz ist es aber noch ein weiter Weg. Selbst in vermeintlichen Regenbogenmetropolen wie Köln, Berlin oder Hamburg ist es mit dem uneingeschränkten Leben nicht weit her.

Händchenhaltende Männer müssen auch heute noch mit Beschimpfungen und Gewalt rechnen, Lesben wird weiterhin mit der Frage "Hast Du denn überhaupt Erfahrungen mit Männern?" unterstellt, dass sie nur den Richtigen finden müssen, um bekehrt zu werden.

Umso mutiger und wichtiger ist die Gründung eines Stammtisches im ländlichen, vermeintlich intoleranteren Raum. Es gibt Schwule und Lesben in der Eifel. Viele haben sich bewusst für ein Leben hier entschieden - wirklich glücklich wird dies aber nur, wenn es auch offen und selbstbestimmt geführt werden kann. Ein Stammtisch setzt ein deutliches Zeichen: "Wir sind hier, wir gehören dazu." Eine Leuchtturminitiative, die hoffentlich auch im rheinland-pfälzischen Teil der Eifel Nachahmer findet.
f.auffenberg@volksfreund.de

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