Lebendige Ortskerne rund um die Kirchen

Umbauten und Abrisse von Häusern in engen Ortskernen sollen gezielt gefördert werden, um gesunde Altersstrukturen in Dörfern zu ermöglichen. Mit dieser Forderung ist Architektin Rosemarie Bitzigeio bei einem Vortrag in Arzfeld auf klare Zustimmung gestoßen.

Arzfeld. Rund 60 Ortsbürgermeister, Ratsmitglieder und interessierte Bürger folgten der Einladung von Bürgermeister Patrick Schnieder ins Arzfelder Gemeindehaus. "Bei der Entwicklung unserer Dörfer gibt es viele Fragen, mit denen wir uns auseinander setzen müssen", stellte Schnieder fest. Aus solchen Informationsveranstaltungen könne die Politik Handlungsempfehlungen gewinnen.Referentin Rosemarie Bitzigeio vom Planungsbüro Lenz & Partner in Winterspelt verwies auf den Strukturwandel der Landwirtschaft, Geburtenrückgang und Überalterung. Es drohe ein massiver Identitätsverlust. Eifelgemeinden entwickelten sich vom Arbeits- und Lebensraum zu reinen Wohn- und Schlafdörfern mit vielen Leerständen und wenig genutzten öffentlichen Einrichtungen.Ein Viertel der Häuser Im Bestand gefährdet

Neben der maßvollen Ausweisung von Neubaugebieten müsse die Ortsmitte gestärkt und eine gesunde Altersdurchmischung erreicht werden.Umfangreiche Untersuchungen Bitzigeios an der Oberen Kyll ergaben zum Teil Besorgnis erregende Zahlen. So stehen in Birgel zwar nur sieben Wohngebäude leer. Zusätzlich gibt es jedoch in 36 Häusern nur Bewohner im Alter von über 75 Jahren: "Damit ist ein Viertel des Häuserbestands gefährdet."In Schüller konzentrieren sich die Problemfälle auffällig im Ortskern und einem Straßenzug. Das vor 15 Jahren erschlossene Neubaugebiet wiederum liegt fernab vom ursprünglichen Dorf. Die frühere Schule droht zu verfallen. In Ellscheid (Verbandsgemeinde Daun) stehen nicht weniger als 52 Wirtschaftsgebäude leer.Als Positivbeispiel gilt Steffeln. "Dank verfügbarer Bauflächen in der Ortsmitte und attraktiver Umbauten ist es gelungen, dass Dorf lebendig zu halten", schwärmte Bitzigeio.Sie schlug vor, die Förderrichtlinien bei der Dorferneuerung dringend zu überarbeiten: "Wir können keine 15 Jahre mehr warten, bis die Leerstände so massiv sind, dass wir nicht mehr reagieren können." Dem Erhalt ortsbildprägender Gebäude dürfe nicht alles andere untergeordnet werden. Unterstützung verdiene auch die Modernisierung von Gebäuden, die den Förderrichtlinien bisher nicht entsprächen. Je nach konkreter Situation vor Ort müsse auch der Abbruch von Häusern bezuschusst werden, wenn nur so Platz für Neubauten und vernünftige Grundstückszuschnitte geschaffen werden könne.Mehrere Generationen unter einem Dach

Bürgerarbeitsgruppen, Stärken-Schwächen-Analysen, Gebäude- und Grundstücksbörsen sowie Imagewerbung für die Dörfer nannte die Architektin als weitere sinnvolle Faktoren. Typisches Bauen in der Eifel könne ins Dachmarkenkonzept aufgenommen werden.Bürgermeister Schnieder wiederholte seine Kritik am Entwurf des Landesentwicklungsprogramms (Lep IV, der TV berichtete): "Es ist nicht akzeptabel, dass bestimmten Dörfern keine Entwicklung mehr zugestanden wird." Das absolute Festsetzen von Zielen und Bedingungen mache die Politik unflexibel. Plütscheids Ortsbürgermeister Josef Kapell sieht dadurch auch die Gefahr, dass Eigeninitiative in den Dörfern gebremst werde."Viele Eigentümer können es sich offenbar leisten, Gebäude leer stehen zu lassen", hat Dasburgs Ortsbürgermeister Christian Nosbüsch beobachtet. Mangelndes Problembewusstsein monierte auch Bitzigeio: "Erbengemeinschaften machen sich oft nicht klar, dass leere Gebäude jedes Jahr an Wert verlieren." Dackscheids Ortsbürgermeister Matthias Knauf regte an, sich vom Modell des klassischen Einfamilienhauses zu verabschieden. Sinnvoller seien Mehrgenerationenhäuser oder Einliegerwohnungen. Meinung Die richtige Antwort auf Lep IV Seit Wochen reden sich Politiker den Mund fusselig und schreiben sich die Finger wund. Selten hat ein Produkt der Landesregierung so viel Kopfschütteln bei Betroffenen hervorgerufen wie der denkwürdige Entwurf des Landesentwicklungsprogramms. Obwohl unabhängig von Lep IV entstanden, ist die Veranstaltung in Arzfeld dennoch die richtige Antwort zum richten Zeitpunkt. Rosemarie Bitzigeio hat einerseits Probleme schonungslos beim Namen genannt, andererseits aber auch vernünftige Lösungswege aufgezeigt. Es geht nur mit den Dörfer und ihren Bewohnern, und nicht über deren Köpfe hinweg. Natürlich will die Ausweisung von Neubaugebieten künftig noch genauer bedacht, am Bedarf orientiert und auf die Situation vor Ort zugeschnitten sein. Natürlich sollen gewachsene Gemeinden ihr typisches Gesicht nicht verlieren. Aber bevor hässliche Narben in Form halb verfallener Gebäude dringend benötigte Käufer und Neubürger abschrecken, muss auch über bisher offiziell verpönte Maßnahmen wie Abrisse oder Umbauten von weniger wertvollen Häusern nachgedacht werden dürfen. Siedlungsentwicklung war immer dynamisch. Geisterkulissen wie einst im Wilden Westen müssen in der Eifel verhindert werden. m.hormes@volksfreund.de

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