Leben mit Beeinträchtigung Gut betreut selbstbestimmt leben in einer Wohngemeinschaft der Lebenshilfe Bitburg

Bitburg/Prüm/Daun · Die Lebenshilfe Eifel betreut insgesamt 278 Behinderte in Wohngemeinschaften. Viele Beeinträchtigte leben so lange bei ihren Angehörigen, bis diese sich nicht mehr kümmern können. Doch es gibt auch einige, die schon früher selbstbestimmt leben möchten.

 Peter Schieben geht gerne walken. Er hat schon zahlreiche Urkunden in seinem Zimmer hängen.

Peter Schieben geht gerne walken. Er hat schon zahlreiche Urkunden in seinem Zimmer hängen.

Foto: TV/Stefanie Glandien

Nicole Wolowczyk öffnet die Tür und zeigt stolz ihr frisch gestrichenes Zimmer, das sie erst vor wenigen Tagen im Wohnheim der Lebenshilfe in Bitburg bezogen hat. Die 29-Jährige hat die Wände blau streichen lassen. Ein Schrank, ein Bett und einen Sessel hat sie schon, der Rest wird noch eingerichtet.

Warum sie im Wohnheim wohnt? „Ich wollte gerne ausziehen. Ich möchte für mich alleine entscheiden“, sagt sie. Zunächst hat die beeinträchtige Frau ein Wochenende im Monat zur Kurzzeitpflege im Wohnheim verbracht. Es hat ihr so gut gefallen, dass sie beschlossen hat, von zu Hause auszuziehen. Heimweh habe sie keins, sagt sie. Wenn Nicole Wolowczyk ihre Familie am Wochenende besucht, erleben die Eltern, wie selbstständig sie schon in der kurzen Zeit geworden ist.

Nicht immer klappt der Umzug in ein Wohnheim so reibungslos wie in diesem Fall. Viele der Beeinträchtigten leben so lange bei ihren Eltern oder Geschwistern, bis diese sich nicht mehr kümmern können. „Insgesamt werden von der Lebenshilfe im Eifelkreis Bitburg-Prüm und im Vulkaneifelkreis 278 Menschen in verschiedenen Wohnformen betreut“, sagt Hermann Dahm, Prokurist bei der Lebenshilfe zuständig für Wohnen und Freizeit. 178 davon leben stationär in Wohnheimen, 100 in eigenen Wohnungen. Dahm rechnet mit steigendem Bedarf in den kommenden Jahren. Denn historisch bedingt kommen in den nächsten Jahren viele Behinderte ins Rentenalter, was auch daran liegt, dass früheren Generationen das unter den Nazis nicht vergönnt war.

In Bitburg gibt es zwei Wohnheime mit insgesamt 46 Plätzen und eine Außenwohngruppe mit fünf Plätzen. Die Kreisverwaltung entscheide, ob im Rahmen der Eingliederungshilfe ein Platz genehmigt wird, erklärt Heimleiterin Regina Mayer. Finanziert wird dieser über den Pflegesatz.

In Bitburg sind der jüngste Bewohner 26 und die älteste Bewohnerin 73 Jahre alt. Sechs Rentner gibt es. Die anderen Bewohner sind berufstätig, zum Beispiel bei den Westeifel-Werken in Hermesdorf. So wie Walter Zeren (58 Jahre), Peter Schieben (58 Jahre) und Uschi Loch (42).

Peter Schieben wohnt in einer Gruppe, bei der nicht ständig ein Betreuer anwesend ist. Am Kühlschrank in der Küche klebt ein Plan, wer wann Küchendienst hat. Schieben ist am nächsten Morgen beim Frühstück eingeteilt. Das bedeutet: Tisch decken, Tisch und Stühle abwischen, Boden kehren und Müll entsorgen. Der 58-Jährige geht in seiner Freizeit gerne walken. Zahlreiche Urkunden und Medaillen hängen an der Wand in seinem Zimmer. Zurzeit trainiert er für den Bitburger Stadtlauf am 8. September.

Er und auch Walter Zeren haben den Trierischen Volksfreund abonniert. „Und wehe, die Zeitung ist abends zerfleddert. Das kann Walter gar nicht leiden, wenn er von der Arbeit kommt“, sagt Regina Mayer und lacht. Und was interessiert die beiden am meisten? „Die Nachrichten aus Bitburg“, sagt Walter Zeren.

Die Betreuer bei der Lebenshilfe kümmern sich um ihre Bewohner, wie das in einer Familie auch üblich wäre. Jeder Betreuer hat zwischen zwei und vier Schützlinge, nach deren Wohl er besonders schaut. „Wir kümmern uns darum, dass sich gekümmert wird“, sagt Regina Mayer. Dazu gehören auch Freizeitangebote, Arztbesuche aber auch gemeinsame Reisen und Ausflüge. Und ein Sportangebot gibt es auch. Jede Woche organisiert die Behindertensportgruppe „Gemeinsam aktiv“ unter der Federführung von Guido Kirsch entweder ein Schwimm- oder ein Turntraining. Auch Reiten wird angeboten.

Ob sie an den Angeboten teilnehmen wollen oder nicht, dürfe jeder Bewohner selbst entscheiden, sagt die Leiterin. „Wir haben nur beratende Funktion. Letztendlich hat der gesetzliche Betreuer das letzte Wort.“

Erika Faust (54) hat ein ganz besonders Hobby. Sie tippt Texte aus Büchern ab. Zurzeit einen Text über den Wasserbüffel aus einem Tierlexikon. Ganze Ordner voller Texte stehen im Regal in ihrem Zimmer, darunter „Pu der Bär“ oder „Die schöne Welt der Pferde“. Sie verfasst aber auch eigene Texte, wie zum Beispiel kürzlich eine Rede, die sie beim jährlichen Sommerfest vorgelesen hat.

Und außerdem kümmert sie sich rührend um Fabian, eine Babypuppe, die sie im Kinderwagen überall hin mitnimmt – auch zur Arbeit und auf Ausflüge. Kein Problem für die Betreuer. „Es gibt doch eigentlich niemanden, der keine Extrawünsche hat. Wir versuchen, diese zu ermöglichen, wenn es irgendwie geht“, sagt Betreuerin Nicole Cash. Sie sehe es als ihre Hauptaufgabe an, herauszufinden, was ein Bewohner gerne möchte.

 Erika Faust tippt gerne Texte aus Büchern in ihren Computer. Zur Zeit einen über den Wasserbüffel.

Erika Faust tippt gerne Texte aus Büchern in ihren Computer. Zur Zeit einen über den Wasserbüffel.

Foto: TV/Stefanie Glandien
 Peter Schieben geht gerne walken. Er hat schon zahlreiche Urkunden in seinem Zimmer hängen.

Peter Schieben geht gerne walken. Er hat schon zahlreiche Urkunden in seinem Zimmer hängen.

Foto: TV/Stefanie Glandien
 Nicole Wolowczyk, Peter Schieben, Erika Faust und Walter Zeren (von links nach rechts) leben in verschiedenen Wohngemeinschaften der Lebenshilfe in Bitburg. Im Garten treffen sie sich zum Grillen, Spielen oder zum gemütlichen Beisammensein.

Nicole Wolowczyk, Peter Schieben, Erika Faust und Walter Zeren (von links nach rechts) leben in verschiedenen Wohngemeinschaften der Lebenshilfe in Bitburg. Im Garten treffen sie sich zum Grillen, Spielen oder zum gemütlichen Beisammensein.

Foto: TV/Stefanie Glandien
 Nicole Wolowczyk hat vor wenigen Tagen ihr Zimmer im Wohnheim in Bitburg bezogen.

Nicole Wolowczyk hat vor wenigen Tagen ihr Zimmer im Wohnheim in Bitburg bezogen.

Foto: TV/Stefanie Glandien

Für die Arbeit, die in den Wohngruppen der Lebenshilfe geleistet wird, hat Hans-Joachim Kurth, Vorsitzender der Lebenshilfe Bitburg, hohe Achtung. „Hier sind Profis unterwegs“, sagt er. In der steigenden Anzahl der zukünftigen Rentner sieht er eine große Aufgabe auf die Lebenshilfe zukommen: „Für die Tagesbetreuung der Rentner müssen wir Räume schaffen und auch personell aufstocken. Die Menschen haben hier eine Heimat, gefunden und das soll auch so bleiben.“

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