Leidenschaft, Beratung und Biss

Bitburg/Daun/Gerolstein · Was treibt zwei junge Frauen an, einen neuen Laden aufzumachen? Wie wird Tradition immer wieder neu und attraktiv? In dieser Folge der TV-Serie "Handel im Wandel" berichten Inhaber von alteingesessenen und neuen Geschäften über ihre Erfahrungen.

Bitburg/Daun/Gerolstein. Auf alten sepia-farbenen Ansichtskarten sehen die Eifeler Innenstädte ganz anders aus. Doch es gibt Ecken, die noch erstaunlich bekannt wirken. Weil ein Name da steht, ein Ladenschild. Geschäfte, die eine jahrzehntelange Geschichte vorweisen können. Und dort, wo auf einer alten Postkarte vielleicht gar kein Gebäude war, steht heute ein buntes neues Geschäft.
Menschen, die sich auf das Abenteuer Einzelhandel einlassen, oder Häuser, die schon in der dritten Generation geführt werden: Herausforderungen und Strategien sind doch sehr ähnlich.

"Das gab es hier noch nicht":
Fast aus den eigenen Bedürfnissen ist die Idee eines Kinderladens entstanden. "Es fehlte in Bitburg ein Geschäft, wo Eltern Kleidung, Kinderwagen oder- sitze an einem Ort finden konnten", sagen Stephanie Becker und Marie-Louise Schmitz, die den Laden Kleiner Luppes in der Saarstraße im März 2013 eröffnet haben. Beide Frauen sind selbst Mütter und wissen, was die Kinder brauchen und mögen. Fazit: "Traktoren und Feuerwehr sind für Jungen immer gut."
HANDEL im WANDEL


Eine Marktlücke finden - für Start-Up-Händler sei das überlebenswichtig. Auch der 28-jährige Kai-Uwe Klos, Filialleiter von Media-Parts in Bitburg, findet, dass mit seinem Geschäft, das im April 2012 in der Hauptstraße eröffnet hat, alle Sparten für Mobilfunk abgedeckt sind. "Wir sind eine gute Ergänzung in Bitburg und Umland". Von Ergänzung spricht auch Ngan Heescher, Inhaberin des Modehauses Bloom in Gerolstein. "Jedes Modegeschäft hat eine Zielgruppe, was ich anbiete, fehlte", sagt die 42-Jährige, die seit September 2010 den Laden führt. "Die Leute waren froh, dass sie nun auch junge Mode im Mainstream-Bereich in Gerolstein finden konnten."

"Beratung ist unsere Chance"
: Egal ob Traditionsgeschäft oder neues Gesicht, ob Kinderwagen oder Bücher. "Sich Zeit für die Kunden zu nehmen: Das ist, was den Einzelhandel vom Internet unterscheidet", sagt Stephanie Becker. Denn das Internet ist ein großer Konkurrent. "Das Web hat keine Seele", sagt Karl-Heinz Slabik von Lenzenhuber Mode in der Burgfriedstraße in Daun. Das Geschäft gibt es seit 1920, heute wird es in dritter Generation geführt. "Wir wollen Frauen schön aussehen lassen", erklärt er die Geschäftsphilosophie. "Dafür bieten wir eine individuelle und stilsichere Beratung."
Von Outfit-Konzept spricht Heescher als ihre Waffe: "Wie kombiniere ich Kleidungsstücke? Das sagt das Internet nicht." Ähnlich denkt auch Anne Bies, Geschäftsführerin der 150-Jahre alten Buchhandlung in der Bitburger Hauptstraße, die heute Eselsohr heißt. "Dank der Beratung können Buchhandlungen eine Zukunft haben", sagt sie, "für mich ist es wichtig, dass die Buchhandlung ein Ort des Treffens wird."

"Immer am Ball bleiben"
: Das würde Klos einem Start-Up-Händler als Rat geben. "Vor allem im Mobilfunk muss ich alles auf dem Schirm haben, um das beste Angebot zu machen." "Auch das Einkaufen für sich selbst wird Arbeit", sagt Heescher. Denn sie vergleicht und beobachtet, was andere anbieten, "man ist immer am Arbeiten". "Wir sammeln ständig Erfahrungen, um besser zu werden", sagen die Inhaberinnen von Kleiner Luppes. Auch für Traditionsgeschäfte sei wichtig, immer wieder neue Ideen zu haben, "die Moderne mit den über lange Zeit entwickelten und gelebten Wertvorstellungen verbindet", sagt Martina Slabik. Anne Bies versucht ihre eigene Note der Buchhandlung zu geben, indem sie zum Beispiel verstärkt auf Belletristik und Kinderbücher setzt, "doch immer in Harmonie mit der Tradition".

"Kleinstadt ist gut"
: Wieso einen Laden in einer kleineren Stadt aufmachen? Die Größe für Bitburg sei für die Inhaberinnen von Kleiner Luppes perfekt: "Hier funktioniert die Mundpropaganda, und in der Großstadt gäbe es zu viel Konkurrenz." Auch für Start-Up-Händler Klos ist der Standort Bitburg gut, "die Stadt ist für das Umland sehr attraktiv". Ngan Heescher hatte vor der Eröffnung ihres Modehauses in Gerolstein in Stuttgart gearbeitet, doch die Vulkaneifel findet sie für "Newcomer" besser: "In Großstädten herrschen Ketten und Stores."

"Der Markt hat sich verändert"
: In Städten und Dörfern sind oft Leerstände zu sehen. Geschäfte machen zu, und es kommt kein neuer Händler. "Ich wünsche mir, dass der Einzelhandel mehr unterstützt wird", sagt Heescher. "Für mich war die Eröffnung des Modehauses ein riesiger Schritt, denn auch mein Mann wechselte gleichzeitig zur Selbstständigkeit", erzählt sie.
Es gebe immer ein Auf und Ab, doch Heescher ist zufrieden. Stephanie Becker scherzt über Ängste und Druck: "Ich habe immer Angst, wenn ich auf das Konto gucke", sagt sie. Kaum geschlafen habe Anne Bies vor der Übernahme der Traditionsbuchhandlung.
"Doch jetzt läuft es gut, ich muss nur noch an meiner Chef-Attitüde arbeiten", denn Bies war vorher Mitarbeiterin der Buchhandlung. Auch wenn Traditionshäuser schon Bekanntheit genießen, hat jede Zeit ihre Herausforderungen. "Früher waren Modetrends langlebiger, heute geht alles schneller, der Markt ist anspruchsvoller", sagt Slabik vom Lenzenhuber.
In der Mobilfunk-Branche "ist schwierig Fuß zu fassen", sagt Klos, "doch ich habe es mir zugetraut, und wir wurden gut aufgenommen."

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