Lessing ohne zu viel Zeitgeist
MAYEN. (red) Vorhang auf und Bühne frei für Lessings "Nathan der Weise": Im Hof der Genovevaburg führen unter Leitung von Pavel Fieber noch bis 14. August namhafte Schauspieler das vom Plädoyer für religiöse Toleranz geprägte Stück auf. Das Premierenpublikum nahm das Spiel sehr konzentriert und wohlwollend entgegen.
Der Jude Nathan (gespielt von Hartmut Stanke) hat ein christliches Waisenkind angenommen und es als seine Tochter aufgezogen. Jetzt ist Recha (Silke Popp) 18 Jahre alt und wird bei einem Brand des Hauses von einem jungen Tempelherrn (Sebastian Feicht) gerettet. Bis die im mittelalterlichen Jerusalem angesiedelte Handlung enthüllt, dass der Tempelherr Rechas Bruder und der Vater von beiden ein Bruder des Sultans Saladin (Harald Dietl) ist, spielen sich dramatische und poetische Szenen ab: Nathan hat die Ermordung seiner Frau und seiner sieben Söhne als Gottes Fügung angenommen. Er besiegt den Stolz des christlichen Tempelherrn. Er deckt die geschwisterliche Beziehung der beiden Verliebten auf. Der Befehl des Patriarchen (Jonas Vischer), Nathan auf den Scheiterhaufen zu bringen, weil er eine Christin als Jüdin aufgezogen hat, trifft und kümmert ihn nicht. Schließlich - in wunderbarer Rezitation des Schauspielers Hartmut Stanke - das Kernstück, die "Ringparabel". Damit antwortet Nathan "der Weise" dem Sultan auf die Frage, welche Religion, die jüdische, die christliche oder die mohammedanische, er für die wahrste halte. "Ich war sehr gespannt auf die Inszenierung" , sagt der Landespolitiker Christoph Böhr. Böhr stammt aus Mayen und bekennt sich als Fan der Burgfestspiele. Seine ursprünglichen Bedenken, Lessings Stück gehöre nicht auf eine Freilichtbühne, hätten sich bereits nach wenigen Minuten verflüchtigt. "Das Ensemble spielt ausgezeichnet, die karge Ausstattung gefällt mir gut. Hier spielt das gesprochene Wort die Hauptrolle." In der Tat: ein richtig klassischer Theaterabend; hohe Bühnenkunst, nicht vereinnahmt vom Zeitgeist und dennoch - mit dem Blick auf Holocaust und die politischen Ereignisse im Nahen Osten - bestürzend aktuell; ein Stück mit viel dramatischer Energie. Die weiteren Rollen spielen Katja Mittenzwei (Sittah), Franziska Küpferle (Daja), Folke Paulsen (Derwisch) und Udo Thomer (Klosterbruder). Die weiteren Aufführungstermine sind am 5., 6., 8., 10., 14., 15., 19., 22., 23., 26., 27. und 30. Juli sowie am 3., 5., 6., 7., 9., 11., 13. und 14. August, jeweils um 20 Uhr. Schulvorstellungen finden am 12. und 19. Juli, jeweils um 11 Uhr statt. Kontakt: Touristik-Information Stadt Mayen, Altes Rathaus am Markt, 56727 Mayen, Telefon 02651/903004, Fax 02651/903009, E-Mail: touristinfo@mayen.de, Internet: www.mayenzeit.de.