Lobbyisten leisten ganze Arbeit

Landwirtschaft

Zum Leserbrief "Das hat mit Sachverstand nichts zu tun" (TV, 24. Oktober) meint dieser Leser:
Herr Netter, Referent beim Bauern- und Winzerverband, beklagt fehlenden Sachverstand bei der Diskussion über die Gewässerverschmutzung. Tatsächlich ist nicht jeder, der sich über Gülle, Phophate, Nitrate beschwert, so gründlich im Thema wie er.
Dennoch: Wer wie ich (Jahrgang 1956) auf dem Land aufgewachsen ist und hautnah die Entwicklung der hiesigen Landwirtschaft mitbekommt, muss nicht unbedingt zum Experten reifen, um Ursachen und Wirkungen miteinander verknüpfen zu können. Bis in die 60er Jahre hinein herrschte in den kleineren Bächen reges Leben. Als Kinder und Jugendliche gehörte es zum Alltag, dass man mit bloßen Händen die ein oder andere Bachforelle oder Rotfeder aus dem Wasser fischte, um sie von Muttern zu einem köstlichen Mahl zubereiten zu lassen. "Kriebsen" wurde das genannt. Kriebsen deshalb, weil man manchmal eben auch an einen Flusskrebs geraten konnte, was mit unangenehmen Folgen verbunden war. Aber auch diese wurden gerne in die Küche gebracht. Seit Anfang der siebziger Jahre ist es damit vorbei.
Irgendwann konnte man aus keiner Quelle mehr trinken. Man schmeckte, was da hineingeraten war, nämlich Gülle. Und damit verschwanden auch rasch die Krebse und Muscheln, gefolgt von den Fischen. Ich kenne kein einziges Kleingewässer mehr, welches die Vielfalt an Leben aufweist wie beschrieben, außer in Naturschutzgebieten wie beispielsweise das Alftal bei Pronsfeld. Die Schuld daran sollte keiner den Landwirten zuschieben, die konnten sich nur so entwickeln, wie die Politik und die Verbände dies vorgaben. Größer, mehr Menge, größere Flächen waren und sind die Zauberformeln. Die nicht mithalten konnten, flogen raus. Das sind bis heute die allermeisten. Das traurige Ergebnis der geschundenen Natur wird zwar allseits beklagt, geändert hat sich wenig bis nichts. Gerne wird die Schuld auf uns Verbraucher geschoben. Wir kaufen gerne billig, heißt es.
Klar kaufen wir das, was uns am günstigsten angeboten wird. Aber komischerweise kaufen wir auch weiterhin die in den letzten Wochen rasant verteuerte Butter, als wäre nichts geschehen. Haben unsere Bauern etwas davon? Anscheinend nicht, die pflanzen munter weiter ihren Mais, wo er eigentlich gar nicht wachsen kann, außer man kippt Gülle dazu. Nochmal: Die einzelnen Bauern sind nicht das Problem. Es ist die von den Konzernen gekaufte Politik und die willfährigen Agrarverbände, die alles vertreten, nur nicht den kleinen Landwirt. Bekämen diese dieselben Zuwendungen wie die Agrar-Industrie, sähe ihre Situation und unsere Natur besser aus. Aber die Lobbyisten in der EU und im Bund leisten ganze Arbeit. Darüber hat Herr Netter kein Wort verloren, aber er spricht ja auch für den Bauern- und Winzerverband.
Peter Trauden, Heilbach

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