Kunstausstellung Ein Mensch, Millionen Möglichkeiten
Bitburg · Martin Liebscher ist nicht eitel. Jedenfalls nicht mehr als andere. Trotzdem fotografiert er sich ständig selbst. Im Auftrag der Kunst. Haus Beda zeigt seine Arbeiten noch bis zum 7. Januar.
Da sitzen sie in Reih’ und Glied. Ein festlicher Opernsaal, die Herren im Anzug. Der eine gelangweilt, der andere völlig gebannt, mancher telefoniert, fotografiert, räkelt sich oder wirft sich in Pose. So viele Menschen. So viele verschiedene Charaktere. Und dann die Entdeckung: Moment, das ist ja immer der Gleiche. Gleiches Gesicht, gleiche Kleidung, andere Position, andere Mimik. Die Fotografien von Martin Liebscher sind moderne Wimmelbilder – zusammengesetzt aus unzähligen einzelnen Motiven. Das Motiv: Liebscher, immer wieder Liebscher.
Insofern sagt Michael Dietzsch, Vorsitzender der Dr.-Hanns-Simon-Stiftung, völlig zurecht, dass der Titel der Ausstellung „Bitte ein Liebscher“ eine „zarte Untertreibung“ sei. Schließlich gibt es den Künstler in seinen Werken gleich millionenfach zu entdecken. Er inszeniert sich in Konzertsälen, Stadien, am Rheinufer, auf dem Börsenpakett oder beim Picknick.
Das Konzept: Liebscher, Schauspieler und Regisseur zugleich, füllt die Szenerie aus mit allen nur denkbaren Charakteren und Typen, Geschichten und Anekdoten, die nur irgend in den Rahmen passen, den er bei Bedarf auch schon mal sprengt. Da klettert ein Opernbesucher über die Balustrade, in einer Loge geschieht ein Mord, nebenan raschelt ein Sitznachbar mit einer Tüte, während der Nachbar von dem, mit dem besonders schlauen Gesichtsausdruck, gerade anfängt zu schnarchen.
Diese Bilder erzählen Geschichten, zeigen Typen, halten dem Betrachter auch den Spiegel vor. Das Schauspiel findet im Publikum statt, die Kunstbetrachter stehen auf der Bühne. „Man sieht den Raum, die Architektur, hört das Stimmengemurmel im Publikum und fast auch die Musik“, sagt Ute Bopp-Schumacher, die die Ausstellung nach Bitburg gebracht hat.
Der Künstler, der in Berlin lebt und in Offenbach als Professor an der Hochschule unterrichtet, war am Mittwochabend zu Gast. Erklärte, wie die Idee langsam gewachsen ist – zu Beginn hat er Familienbilder klassischer Maler nachgestellt –, wie er vorgeht, in dem er Einzelbilder wie Puzzlestücke zusammenschiebt, dreht und prüft, bis die Szenerie für ihn passt, und wie er die einzelnen Arbeiten komponiert – das Meiste entsteht spontan, aus der Situation heraus. Liebscher sagt: „Irgendwann passiert es, dass die Arbeit vorgibt, wie es weitergeht. Das Bild entwickelt eine Eigendynamik, seine eigene Geschichte.“
So wie in Haus Beda, wo Liebscher den Festsaal bevölkert hat. Diese Arbeit bleibt nach der Ausstellung, in der auch Werke der Studenten des Professors zu sehen sind, in Bitburg. Damit hat die Eifel nun etwas mit dem Berliner Konzerthaus gemein. Einen Liebscher. Ach, was: hunderte. Darauf dann mal „Bitte ein Bit“. Schließlich finanziert sich die Dr.-Hanns-Simon-Stiftung, die Haus Beda betreibt, aus den Erlösen von Geschäftsanteilen der Bitburger Brauerei. Na, dann: Prost!
Die Ausstellung „Bitte ein Liebscher“ ist noch bis einschließlich Sonntag, 7. Januar, in der neuen Galerie im Haus Beda Bitburg zu sehen. Weitere Bilder unter www.volksfreund.de/bitburg